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Im Mannheimer Stadtteil Schonau kam es im Jahr 1992 zu rassistischen Ausschreitungen gegen ein Sammellager fur Asylbewerber in der alten Gendarmerie Kaserne Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Beginn der Ausschreitungen 3 Nachfolgende Bewertung 4 Literatur 5 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenSchonau entwickelte sich Ende der 1980er Anfang der 1990er Jahre von einem alten Arbeiterviertel das traditionell der SPD nahestand zu einem sozialen Problemviertel in dem der Drogenhandel und konsum florierte sowie Arbeitslosenquote und Kriminalitatsrate stiegen In Schonau Nord entstanden mehrere Wohnblocke mit Sozialwohnungen 1 Ende November 1991 wurde die alte Gendarmerie Kaserne von der US Armee zuruck an die Stadt ubergeben Das Gebaude wurde von der Stadtverwaltung anschliessend fur die Nutzung als Landessammellager fur Asylbewerber freigegeben 216 Fluchtlinge sollten dort einziehen Obwohl mehrere Stadtrate ihre Bedenken ausserten eine Fluchtlingsunterkunft in einem Problemviertel zu eroffnen wurde der Plan in die Tat umgesetzt und im Januar 1992 zogen die ersten 59 Asylbewerber ein Bereits da kam es zu Beschwerden der Nachbarschaft uber Larmbelastigung und Verunreinigungen des gegenuberliegenden Schulhofs Versuche der zustandigen Sozialbetreuer die Situation zu entscharfen indem sie die Fluchtlinge in andere Jugendhilfeeinrichtungen integrierten beispielsweise dem Jugendhaus oder dem Jugendfreizeitheim scheiterten an den Bedenken der jeweiligen Angestellten und Trager 1 Die Situation im Stadtteil verscharfte sich schliesslich als Ende April 1992 die Obergrenze von 216 Personen uberschritten wurde Es kam insbesondere unter den Jugendlichen zu Schlagereien zwischen den Asylbewerbern und Schonauern Im Mai berichtete der Fernsehsender RTL in seinem Lokalprogramm uber eine Massenschlagerei in der Unterkunft die sich an der schlechten Verkostigung entzundete 2 Beginn der Ausschreitungen BearbeitenAm 26 Mai 1992 verbreitete sich das Gerucht ein afrikanischer Asylbewerber aus der Sammelunterkunft habe ein 16 jahriges Madchen vergewaltigt Tatsachlich war diese von ihrem eigenen Freund einem US Amerikaner vergewaltigt worden der bei seiner Festnahme falsche Angaben machte und sich als einer der Asylbewerber ausgab Ein Mob von etwa 150 Jugendlichen und alteren Personen zogen vor die Unterkunft und wollten den angeblichen Tater stellen An dem Abend passierte jedoch nichts 3 Nachdem sich die Geruchte am 28 Mai einem Feiertag auf einem Fest erneut ausbreiteten und dieses kurz darauf wegen einiger Schlagereien aufgelost wurde begab sich erneut ein Mob von 100 bis 150 Personen teilweise alkoholisiert mit Baseballschlagern zum Fluchtlingsheim Dort wurden auslanderfeindliche Parolen gebrullt Weder der Polizei noch Oberburgermeister Gerhard Widder SPD und Stadtratin Regina Trosch gelang es die aufgebrachte Menge zu beruhigen die zudem auf 400 Personen anwuchs Diese begannen nun die Polizei sowie das Lager mit Steinen Flaschen und Bollern zu bewerfen Die Polizei rief Verstarkung aus Hessen und Rheinland Pfalz und begann um 22 30 Uhr mit der Raumung des Gelandes Etwa 24 Personen wurden festgenommen 4 3 Am nachsten Tag richtete sich Widder mit einem Schreiben an die Burger von Schonau in dem er ankundigte den Zuzug von Fluchtlingsfamilien zugunsten von jungen Alleinstehenden zu stoppen und einen Pfortnerdienst im Heim zu etablieren Trotz dieses Entgegenkommens bei dem der rassistische Mob keine Erwahnung fand versammelten sich am 29 Mai erneut hunderte Personen vor der ehemaligen Kaserne die nun von Sicherheitskraften bewacht wurde Der Fernsehsender Sat 1 berichtete vor Ort und zeigte Filmaufnahmen von Jugendlichen die rassistische Parolen riefen 21 Personen wurden festgenommen Es kam auch zu Gegenprotesten Eine solidarische Gruppe von etwa 60 Personen entrollte ein Transparent mit der Aufschrift Gegen Rassismus Bleiberecht fur alle und zog in Richtung Sammelunterkunft 5 Auch fur den 30 Mai kundigten sich Proteste an Die Polizei errichtete einen Puffer zwischen den beiden Gruppierungen also denen die gegen die Fluchtlinge demonstrierten und den mit den Fluchtlingen solidarischen Personen Der Abend verlief ohne grossere Zwischenfalle Insgesamt haben sich Medienangaben zufolge 150 bis 200 Menschen auf der Seite der Antirassistinnen und 50 bis 500 Fluchtlingsgegner versammelt 6 Am 2 Juni 1992 entrollte eine dreissigkopfige Gruppe von Pro Asyl ein Banner mit der Aufschrift Weg mit dem rassistischen Burgermob Die Gruppe wuchs schliesslich auf 100 Personen an Auch der Mob der Asylgegner versammelte sich erneut Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden Gruppen Dabei kam es auch zu Rangeleien zwischen Polizisten und der autonomen Seite 7 Widder verbot daraufhin alle Demonstrationen und Versammlungen vor dem Heim Doch bereits einen Tag spater kam es am Rande einer Begegnungsrunde im Stadtviertel zwischen Bewohnern und Fluchtlingen zu einer Versammlung von etwa 50 bis 100 Fluchtlingsgegnern und etwa doppelt so vielen Antifaschisten Die Polizei konnte die beiden Gruppen trennen und stellte bei den Autonomen die auch aus den umliegenden Stadten angereist waren eine grosse Anzahl an Hiebwaffen fest Nachts fand unter Polizeischutz eine Demonstration der Fluchtlingsgegner statt 8 Auch am 4 Juni versammelten sich Fluchtlingsgegner vor der Kaserne Zwolf mit Schlagstocken bewaffnete Jugendliche wurden festgenommen 9 Am Samstag dem 6 Juni rief ein Aktionsbundnis zu einer Demonstration gegen die auslanderfeindlichen Ubergriffe auf Widder liess die Demonstration verbieten Die Polizei raumte den Mannheimer Paradeplatz wo sich 200 bis 300 Demonstranten versammelten daraufhin mit Gewalt Insgesamt wurden sieben Menschen verletzt und 140 Personen vorubergehend festgenommen 10 Anschliessend flauten die Proteste von beiden Seiten ab Eine Woche spater fand ein Demonstrationszug von 2500 Personen statt der sich gegen Rassismus richtete Dabei wurden 189 Personen festgenommen Der Protestzug verlief jedoch generell friedlich 11 Nachfolgende Bewertung BearbeitenMatthias Moller untersuchte 2007 im Rahmen einer Magisterarbeit an der Universitat Tubingen die Ausschreitungen in Mannheim Schonau das auch spater als Taschenbuch erschien 12 Matthias Moller trat in den Jahren danach auch als Referent auf 13 14 Der Mob trat in Mannheim als sehr gemischtes Publikum auf Die Proteste bestanden nicht wie in anderen Stadten aus organisierten Neonazis sondern es handelte sich um normale Burger und nicht um einen organisierten Protest Deshalb und da die Polizei das Fluchtlingsheim beschutzte sieht er die Ausschreitungen nicht als Pogrom Was fur ihn jedoch das Besondere war war dass die staatliche Gewalt vorwiegend gegen Antifaschisten aktiv vorging wahrend die auslanderfeindlichen Proteste geduldet wurden 13 Richard Rohrmoser veroffentlichte 2017 in einem Sammelband der Freunde des Stadtarchivs uber Jugendproteste in Mannheim einen Artikel in dem er dessen Forschungen aufgriff Beide gehen auch auf die Rolle der Medien und des Oberburgermeisters ein So habe der Mannheimer Morgen tendenzios uber die Proteste berichtet und den rassistischen Mob ebenso befeuert wie Oberburgermeister Widder der sich fur eine hartere Asylpolitik einsetzte und Verstandnis fur den rassistischen Mob ausserte 3 Die Proteste wurden ausserdem als unpolitisch umgedeutet so dass die Ausschreitungen sich im Vergleich zu den Pogromen von Hoyerswerda Rostock Lichtenhagen Solingen und Molln weniger im kollektiven Gedachtnis eingepragt haben Ebenso kam es dort auch zu weniger Zwischenfallen Trotzdem sieht er die Vorfalle als einen von mehreren Hohepunkten in einer Kette von Angriffen auf Gefluchtete und deren Unterkunfte nach der deutschen Wiedervereinigung 15 Literatur BearbeitenMatthias Moller Ein recht direktes Volkchen Mannheim Schonau und die Darstellung kollektiver Gewalt gegen Fluchtlinge Trotzdem Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 931786 41 0 Richard Rohrmoser Die rassistischen Ausschreitungen in Schonau im Jahr 1992 In Philipp Gassert Ulrich Niess Hanspeter Rings Richard Rohrmoser Hrsg Jugendprotest und Jugendkultur im 20 Jahrhundert Uber 100 Jahre bewegte Jugend in Mannheim Freunde des Stadtarchivs Mannheim Mannheim 2017 ISBN 978 3 9817924 2 3 S 144 156 Schonau nicht vergessen Infobroschure des Komitees Schonau nicht vergessen Mai 2007 Neuauflage 2012 PDF Einzelnachweise Bearbeiten a b Richard Rohrmoser Die rassistischen Ausschreitungen in Schonau im Jahr 1992 In Philipp Gassert Ulrich Niess Hanspeter Rings Richard Rohrmoser Hrsg Jugendprotest und Jugendkultur im 20 Jahrhundert Uber 100 Jahre bewegte Jugend in Mannheim Freunde des Stadtarchivs Mannheim Mannheim 2017 ISBN 978 3 9817924 2 3 S 146f Rohrmoser 2017 S 147 gt a b c Andrea Ropke Andreas Speit Blut und Ehre Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland Ch Links Verlag 2013 ISBN 978 3 86284 236 0 S 102 f google de abgerufen am 11 Mai 2020 Rohrmoser 2017 S 149f Rohrmoser 2017 S 150 Rohrmoser 2017 S 152 Rohrmoser 2017 S 152f Rohrmoser 2017 S 151 Rohrmoser 2017 S 152 Rohrmoser 2017 S 153 Rohrmoser 2017 S 154 Matthias Moller Ein recht direktes Volkchen Mannheim Schonau und die Darstellung kollektiver Gewalt gegen Fluchtlinge Trotzdem Frankfurt am Main 2007 ISBN 978 3 931786 41 0 a b Mannheim gegen Rechts Schonau nicht vergessen 20 Jahre nach den pogromartigen Ausschreitungen in Mannheim Schonau Abgerufen am 11 Mai 2020 deutsch Rassismus totet 1992 Pogrom in Mannheim Schonau Ein Interview mit Matthias Moller YouTube abgerufen am 21 Mai 2012 Rohrmoser 2017 S 156 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rassistische Ausschreitungen in Schonau 1992 amp oldid 227523809