Die Oakland Growth Study und die Berkeley Guidance Study sind zwei pionierhafte Langzeitstudien, mit denen die kindliche Entwicklung erforscht wurde. Beide Studien wurden von Glen Elder analysiert. Dieser interessierte sich für die Auswirkungen der Armut auf die kindliche Entwicklung. Er zog das Fazit, dass Armut sowohl negative als auch positive Konsequenzen haben kann. Dabei überwiegen – speziell in der Mittelschicht – oft die positiven Konsequenzen.
Die Studien im Einzelnen Bearbeiten
- Die Oakland-Growth-Study wurde von Harold Jones und Herbert Stolz geleitet. Es wurden 167 Kinder der Geburtsjahrgänge 1920–1921 untersucht. Deren Lebensweg wurde bis 1980–1981 untersucht. Dabei wurden unter anderem qualitative Interviews, Fragebögen und Gesundheits-Checks genutzt.
- Die Berkeley Guidance Study wurde von Jean Macfarlane geleitet. Es wurden 248 Kinder der Geburtsjahrgänge 1928–1929 untersucht. 214 davon waren am Ende des Zweiten Weltkrieges noch im Sample. Bis 1946 wurden jährlich Daten erhoben. Dann endete die jährliche Datenerhebung. Es gab jedoch zwei Follow-Ups 1959–1960 und 1969.
Ergebnisse Bearbeiten
Glen Elder postulierte aufgrund dieser beiden Studien fünf paradigmatische Prinzipien, die er in seiner „Life-Course-Theory“ zusammenfasste:
Ergebnisse im Einzelnen Bearbeiten
Auswirkungen der Verarmung auf die Bildungschancen und die beruflichen Chancen Bearbeiten
Elder interessierte sich für die Auswirkungen der Verarmung auf die Chancen, Bildung zu erlangen und einen angesehenen Beruf zu ergreifen.
Tabelle I
niemals arm | unterhalb des Existenzminimums aufgewachsen | |
---|---|---|
Erreichen eines Universitätsabschlusses | 61 % | 60 % |
Berufsstatus im Jahre 1958 (1=hoch, 7=niedrig) | 2,5 | 2,2 |
Tabelle I zeigt die Einflüsse der Armut auf Jungen aus der Mittelschicht. Wie sich zeigt, hatte die Armut eigentlich keine negativen Einflüsse. Sie waren 1958 beruflich sogar etwas erfolgreicher als Jungen aus nie verarmten Familien.
Tabelle II
niemals arm | unterhalb des Existenzminimums aufgewachsen | |
---|---|---|
Erreichen eines Universitätsabschlusses | 50 % | 43 % |
Berufsstatus im Jahre 1958 (1=hoch, 7=niedrig) | 2,8 | 3,1 |
Tabelle II zeigt die Auswirkungen der Armut auf Jungen der (oberen Schicht der) Arbeiterklasse. Hier kann man deutlich die negativen Auswirkungen der Armut sehen. Die Kinder aus verarmten Familien erreichen seltener als die aus nicht verarmten Familien einen Universitätsabschluss, und ihr Berufsstatus ist etwas niedriger. Doch andererseits: Auch unter diesen Kindern gibt es sehr viele Sozialaufsteiger. Keiner der Eltern dieser Arbeiterkinder hat studiert, trotzdem erreichen selbst in der verarmten Gruppe 43 % der Kinder einen Studienabschluss. Die Studien fanden in Kalifornien statt. Das, was wir hier sehen, ist eine kalifornische Besonderheit. An anderen Plätzen wurden Arbeiterkinder (egal ob verarmt oder nicht) meistens wieder Arbeiter. Warum das so ist, soll später erklärt werden.
Auswirkungen auf die Intelligenz Bearbeiten
Es konnten weder bei den Arbeiterjungen noch bei den Mittelschichtjungen signifikante negative Auswirkungen auf die Intelligenz festgestellt werden. Die in der folgenden Tabelle dargestellten Ergebnisse wurden mit dem Stanford-Binet ermittelt.
niemals arm | unterhalb des Existenzminimums aufgewachsen | |
---|---|---|
IQ von Arbeiterjungen | 109.5 | 113.1 |
IQ von Mittelschichtsjungen | 118.5 | 115.9 |
Vor- und Nachteile der Studien Bearbeiten
Die Studien sind Pionier-Studien, sie gehören zu den ersten zu diesem Thema, außerdem zu den teuersten, umfangreichsten und bestdokumentierten. Sie wurden von der Universität Berkeley in Kalifornien durchgeführt und in vielen Publikationen zitiert. Es nahm eine für Langzeitstudien ungewöhnlich große Zahl von Kindern an den Studien teil.
Diese Studien bergen jedoch auch einige Nachteile – vor allem, wenn es um die Erforschung von Armut geht. Die Stichprobe ist nicht so repräsentativ, wie sie sein sollte. In beiden Studien sind Angehörige der Mittelschicht extrem überrepräsentiert.
- Bei der Berkeley Guidance Study kamen 2/3 der Kinder aus Mittelschichtsfamilien. Die meisten der Kinder waren weiß und protestantisch.
- Bei der Oakland Growth Study kamen sogar 3/4 der Kinder aus Mittelschichtfamilien. In dieser Studie gab es sogar nur weiße Kinder und auch hier waren die meisten Kinder protestantisch. Die Arbeiterkinder, die in dieser Studie untersucht wurden, kamen fast alle aus der oberen Schicht der Arbeiterklasse. Kinder aus der Unterschicht kamen nicht vor.
So wurden also Kinder untersucht, die trotz Verarmung in anderer Hinsicht privilegiert waren.
Siehe auch Bearbeiten
- Iowa Youth and Families Project (Studie über die Konsequenzen der Armut von Jugendlichen)
- Die Arbeitslosen von Marienthal (Soziologischer Klassiker von Marie Jahoda, Paul Felix Lazarsfeld und Hans Zeisel zur Untersuchung der Folgen von Arbeitslosigkeit und Armut)
Weblinks Bearbeiten
Literatur Bearbeiten
- Elder, Glen H., Jr. (1999): Children of the Great Depression: Social Change in Life Experience. 25th Anniversary Edition. Boulder, CO: Westview Press.
- Kinder in der "Großen Wirtschaftskrise" – Glen H. Elder: "Children of the Great Depression" in Zander, Margherita (2008): Armes Kind – starkes Kind? Die Chance der Resilienz. VS – Verlag für Sozialwissenschaften. ISBN 978-3-531-15226-4.
Einzelnachweise Bearbeiten
- Elder, Glen H., Jr. 1999. Children of the Great Depression: Social Change in Life Experience. 25th Anniversary Edition. Boulder, CO: Westview Press
- ↑ The Oakland Growth and Berkeley Guidance Studies of the Institute of Human Development at the University of California, Berkeley. Carolina Population Center, archiviert vom am 12. Januar 2010; abgerufen am 31. Januar 2008 (englisch).
- Elder, Glen H., Jr., and Monica Kirkpatrick Johnson. 2002: The Life Course and Aging: Challenges, Lessons, and New Directions. In Invitation to the Life Course: Toward New Understandings of Later Life, Part II, Hrsg.: Richard A. Settersten, Jr. Amityville, NY: Baywood
- Siehe dazu etwa Glen Elder: Children in time and place. Cambridge University Press 1994, ISBN 978-0-521-47801-4, in diesem Buch insbesondere das Kapitel: Rising above lifes disadvantage von Glen Elder und Tamara Hareven.
- Elder, Glen H. (1974): Children of the Great Depression.Chicago: University of Chicago Press S. 160
- Elder, Glen H. (1974): Children of the Great Depression.Chicago: University of Chicago Press S. 160
- Elder, Glen (1994): Children in time and place. Cambridge University Press. ISBN 978-0-521-47801-4, in diesem Buch insbesondere das Kapitel: Rising above lifes disadvantage von Glen Elder und Tamara Hareven
- Elder, Glen H. (1974): Children of the Great Depression. Chicago: University of Chicago Press S. 311, Tabelle A-18
- Elder, Glen H., Jr. 1999. Children of the Great Depression: Social Change in Life Experience. 25th Anniversary Edition. Boulder, CO: Westview Press
- Zur Frage, was aus unterprivilegierten Kindern wurde, die zur gleichen Zeit aufwuchsen, siehe die Beiträge von Tamara K. Hareven.