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Die Multimomenthaufigkeits Studie MMH wird als ein heuristisches Stichprobenverfahren definiert das statistisch abgesicherte Aussagen uber die zeitliche Struktur beliebiger Vorgange zulasst Die Multimomenthaufigkeits Studie ist somit ein Verfahren zur direkten Informationsbeschaffung durch Beobachtungen in Zeitabstanden Die Beurteilung der Signifikanz der erzielten Ergebnisse erfolgt mithilfe der Statistik Die Beurteilung der Wahrscheinlichkeiten erfolgt mithilfe der Stochastik Wahrscheinlichkeitsrechnung Das Verfahren soll 1927 in England durch Leonard H C Tippett das erste Mal angewendet worden sein 1 Der Begriff Multimoment wurde 1954 vom niederlandischen Ingenieur Gerdien de Jong gepragt In der englischen Literatur ist das Verfahren als Work Sampling beschrieben in der franzosischen als Observations Instantanees Um zu ermitteln welchen Aktivitaten die Mitarbeiter einer Organisation Tag fur Tag nachgehen konnte man sie selbst befragen oder dauerhaft beobachten Neudeutsch DILO Day in the life of Eine vollstandige Beobachtung beispielsweise im Rahmen einer REFA Verteilzeitaufnahme ware nicht nur aus Datenschutzgrunden problematisch sie ware auch sehr teuer Die Multimoment Studie liefert Aussagen zur Tatigkeitsverteilung statistisch abgesichert mit weniger Aufwand So konnen Aussagen getroffen werden beispielsweise dass ein Mitarbeiter rund 30 seiner Arbeitszeit mit Kopieren verbringt wenn dieser Mitarbeiter zu den diversen Beobachtungszeitpunkten bei jener Aktivitat entsprechend haufig beobachtet wurde Inhaltsverzeichnis 1 Vor und Nachteile 2 Vorgehen 2 1 1 Ziel festlegen 2 2 2 Ablaufarten festlegen und beschreiben 2 3 3 Rundgangsplan festlegen 2 4 4 Zahl der Beobachtungen festlegen 2 5 5 Rundgangszeitpunkte bestimmen 2 6 6 Die ersten 500 Beobachtungen durchfuhren 2 7 7 Zwischenauswertung 2 8 8 Endauswertung 3 Literatur 4 EinzelnachweiseVor und Nachteile BearbeitenAls Vorteile der Multimoment Studie gelten vor allem der vergleichsweise geringere Aufwand gegenuber einer Vollerhebung die Flexibilitat die variable Genauigkeit der Ergebnisse ein Hochstmass an Anpassungsfahigkeit und die schnelle Auswertbarkeit der Daten Ausserdem entstehen keine personengebundenen Daten und die Aufnahme kann jederzeit unterbrochen und zu einem spateren Zeitpunkt fortgesetzt werden Nachteilig ist dass die Ergebnisse die statistischen Unsicherheiten aufweisen und keine Ursachen fur die erzielten Beobachtungen ermittelt werden Zeigt eine Multimomentstudie am Ende zum Beispiel nur 50 Produktionsarbeiten kann die Frage Warum nur so wenig nicht aus der Studie beantwortet werden Geistige Tatigkeiten konnen nicht durch Aussenstehende beobachtet werden Hier kann eine Variante der MMH die Multimoment Selbstaufschreibung zum Einsatz gelangen Dazu befindet sich PDA kompatible einschlagige Software im Angebot Der PDA meldet sich in zufalligen Abstanden der jeweilige Mitarbeiter tippt dann auf seine gerade ausgeubte Ablaufart In sinnvollen Abstanden werden die PDA durch die Studienleitung ausgelesen die Daten ausgewertet Plausibilitatskontrollen und zusatzliche statistische Tests konnen Hinweise liefern ob Teilnehmer der Studie mogeln Insgesamt lasst sich der Einfluss wissentlicher Falscheingaben auch durch einen gegenuber einer fremdbeobachteten MMH Studie deutlich erhohten Beobachtungsumfang kompensieren Nachteilig bei der Selbstaufschreibung ist Folgendes Bei einer konventionell durchgefuhrten MMH entstehen keine personengebundenen Daten Die bei einer Person beobachtete Ablaufart reprasentiert sich in einem Strich ein Datum welche Person beobachtet wurde entsteht gar nicht erst Dies macht es den meisten Betriebsraten leicht einer MMH zuzustimmen Mit dieser Personenungebundenheit ist es bei der Selbstaufschreibung mit PDAs vorbei Ganz im Gegenteil Plausibilitatskontrollen der ubernommenen Daten erfordern die Personengebundenheit zumindest bis zu diesem Zeitpunkt der Datenaufbereitung Damit wird es deutlich schwieriger eine solche Studie betrieblich durchzusetzen Vorgehen Bearbeiten nbsp REFA Standardprogramm MulitimomentaufnahmeEine Multimomentaufnahme lauft nach dem im Bild REFA Standardprogramm Multimomentaufnahme dargestellten achtstufigen Schema ab Ein Beispiel fur ein Ergebnis zeigt das nachste Bild fur ein chemisches Qualitatskontrolllabor 1 Ziel festlegen Bearbeiten Wie bei jeder Datenermittlung ist als erstes das Ziel der Multimomentaufnahme zu formulieren Damit geht in diesem Falle einher die Festlegung der zugrunde liegenden Arbeitsplatze und der zu erfassenden Menschen und Betriebsmittel Beispielhafte Ziele sind die Ermittlung von Zeit Anteilen fur bestimmte Ablaufarten am Gesamtablauf oder die Beschaftigungsgrade von Mitarbeitern und Betriebsmitteln Ein besonderer Vorteil des Multimomenthaufigkeitsverfahrens ist dass die Aufnahme bei ungewohnlichen Ereignissen die das Ergebnis verfalschen wurden jederzeit unterbrochen und dann fortgesetzt werden kann wenn wieder normale Verhaltnisse herrschen In dem Zusammenhang gilt auch dass die Studie zu normalen Zeiten keine Urlaubs oder Grippewelle erfolgen sollte also sinnvollerweise von Februar bis April vor Ostern oder September bis Mitte Dezember 2 Ablaufarten festlegen und beschreiben Bearbeiten Es ist festzulegen welche Ablaufarten fur die Untersuchung relevant sind Bedingung ist dass diese Ablaufarten durch kurzzeitiges Beobachten eindeutig identifizierbar sind Auch sollte man sich auf wenige Ablaufarten beschranken da jede zusatzliche Ablaufart den erforderlichen Beobachtungsumfang uberproportional erhoht Andererseits mussen die Ablaufarten so gewahlt und beschrieben sein dass alle moglichen beobachtbaren Ablaufe auch aufgenommen werden konnen In der Praxis hilft man sich dadurch dass die jeweilige Ablaufart feiner untergliedert und ortlich sortiert auf dem Beobachtungsbogen aufgefuhrt wird So konnte beispielsweise die Ablaufart Produktionsarbeiten bei einem chemischen Betrieb auf dem Rundgangsbogen aufgefuhrt sein als Ventile einstellen Behalter befullen und Einwaagen machen etc Der Beobachter kann so ankreuzen was er sieht ohne uberlegen zu mussen welcher Ablaufart diese Beobachtung zuzuordnen ist Das erhoht die Reliabilitat der Aufnahme deutlich 3 Rundgangsplan festlegen Bearbeiten Die Rundgangswege und die Beobachtungsstandpunkte werden festgelegt und in einem Rundgangsplan skizziert Ein Beobachtungsstandpunkt ist die raumlich gekennzeichnete Stelle von der aus die Beobachtung im Augenblick des Vorbeigehens erfolgen soll 4 Zahl der Beobachtungen festlegen Bearbeiten Die Anzahl der erforderlichen Beobachtungen Stichprobenumfang ist abhangig von dem geforderten absoluten Vertrauensbereich f der Ergebnisse Dieser Wert gibt ein Intervall in vom erhaltenen numerischen Wert an in dem der tatsachliche Wert vom in der Multimomentaufnahme ermittelten Wert bei einer zusatzlich gegebenen Aussagewahrscheinlichkeit ublicherweise 0 95 entfernt sein kann Noch einmal Bei einer Aussagewahrscheinlichkeit von 0 95 und einem f von 2 liegt der tatsachliche Wert mit einer Wahrscheinlichkeit 0 95 nicht weiter als 2 von dem in der Multimomentstudie ermittelten entfernt Ware dieser 100 ist der wirkliche Wert mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 95 nicht kleiner als 98 und nicht grosser als 102 mit einer Wahrscheinlichkeit von 0 05 ist er das doch Die vermutlich erforderliche Zahl der Beobachtungen n hangt bei gegebener Aussagewahrscheinlichkeit von der gewunschten Genauigkeit f und dem Anteilswert p der einzelnen Ablaufarten ab Je grosser der Anteil einer interessierenden Ablaufart am Gesamtablauf ist desto hoher wird die Anzahl der erforderlichen Beobachtungen Der Wert n wird deshalb nicht fur die kleinste uberhaupt erwartete Ablaufart ermittelt sondern fur die die vordringlich von Interesse ist Auf der Basis einer Aussagewahrscheinlichkeit von 0 95 gilt n 1 96 2 p 100 p f 2 displaystyle n frac 1 96 2 cdot p cdot 100 p f 2 nbsp Als praktisches Hilfsmittel zur Bildung der Stichprobe ist bei REFA ein Nomogramm veroffentlicht das sich heranziehen lasst Je kleiner der Wert von f wird desto mehr Beobachtungen sind bei einem bestimmten Anteilswert p erforderlich Deshalb sollte keine ubertriebene Genauigkeit gefordert werden Die Zahl der erforderlichen Rundgange ergibt sich aus der absoluten Zahl der notwendigen Beobachtungen n und aus der Menge der je Rundgang moglichen Beobachtungen Je mehr Beobachtungen pro Rundgang desto weniger Rundgange sind erforderlich vorausgesetzt an jedem Punkt werden auch die gleichen Sachverhalte beobachtet Ansonsten gelten die gemachten Beobachtungen auch nur fur diesen Beobachtungspunkt und die einzelnen Punkte eines Rundganges markieren dann Beobachtungspunkte verschiedener paralleler Multimomentaufnahmen 5 Rundgangszeitpunkte bestimmen Bearbeiten nbsp Beispiel MMH Ergebnis eines LaborsDamit den statistischen Bedingungen genugt und auch eine unbewusste Beeinflussung der Ergebnisse durch den Beobachter ausgeschlossen wird mussen die Zeitpunkte fur die einzelnen Rundgange zufallig gewahlt werden Zunachst wird hierzu festgelegt wie viele Beobachtungen pro Tag durchgefuhrt werden sollen Diese hangen vor allem davon ab wie haufig die jeweiligen Ablaufarten sich verandern Wechseln sie schnell konnen auch viele Beobachtungen vorgesehen werden wechseln sie selten durfen nur weniger haufig Beobachtungen gemacht werden Weitere Einflussgrossen auf die Rundgangshaufigkeit sind dessen Dauer die geplante Dauer der Multimomentstudie an sich sowie die Anzahl der einsetzbaren Beobachter 6 Die ersten 500 Beobachtungen durchfuhren Bearbeiten Die Rundgange werden in einem Rundgangsplan festgelegt Dabei sind die Rundgangszeitpunkte unter Berucksichtigung der Arbeitszeiten und Pausen zufallig festzulegen Die an den Beobachtungspunkten jeweils vorgefundenen Ablaufarten werden einfach angekreuzt Wechselt bei einer Beobachtung die Ablaufart wird diejenige notiert die beim Eintreffen festgestellt wurde Werden mehrere gleichzeitig beobachtet gilt die zuerst bemerkte Mit Proberundgangen sollte vor Beginn der eigentlichen Multimomentaufnahme gepruft werden ob jeder Beobachter jedes Merkmal auch richtig notiert Dabei konnen sich die Beobachter auch mit der Aufnahmetechnik vertraut machen Ausserdem kann der Beobachtungsbogen nochmals hinsichtlich seiner Vollstandigkeit und Praktikabilitat uberpruft werden 7 Zwischenauswertung Bearbeiten Mit zunehmender Anzahl an Beobachtungen ergibt sich eine Verteilung der Haufigkeiten der beobachteten Ablaufarten die sich zunehmend der wirklichen Verteilung annahert der Vertrauensbereich wird immer enger Nach rund 500 Beobachtungen ist gewohnlich ein geeigneter Zeitpunkt fur eine Zwischenauswertung gekommen in der die ursprunglich geschatzte Verteilung durch die nunmehr naherungsweise ermittelte ersetzt wird Es wird gepruft ob die ursprunglich vorgesehene Anzahl von erforderlichen Beobachtungen ausreicht um die gewunschte Genauigkeit zu erreichen oder ob sich gar die Studie verkurzen lasst Auch die neuen Werte lassen sich in umgekehrter Ablesefolge aus dem REFA Nomogramm entnehmen Rechnerisch gilt fur die Ermittlung der erreichten Genauigkeit f die folgende Formel n Anzahl der vorliegenden Beobachtungen p der fur die Ablaufart ermittelte Anteilswert f 1 96 p 100 p n displaystyle f 1 96 cdot sqrt frac p cdot 100 p n nbsp 8 Endauswertung Bearbeiten Die Endauswertung folgt im Wesentlichen der Vorgehensweise der Zwischenauswertung Bei Einsatz einer leistungsfahigen Tabellenkalkulation kann eine kontinuierlich erweiterte Zwischenauswertung am Ende der Studie unmittelbar die Endauswertung sein In der Praxis empfiehlt es sich auf den Beobachtungsbogen auch die Orte und die Zeitpunkte von Beobachtungen festzuhalten Dadurch lassen sich nach der Aufnahme auch noch die Fragestellungen variieren Zum Beispiel verandern sich die Tatigkeitsverteilungen uber den Tagesverlauf oder gibt es Tatigkeiten die sich an bestimmten unerwarteten Orten haufen Literatur BearbeitenHaller Wedel Ernst Das Multimoment Verfahren in Theorie und Praxis ein statistisches Verfahren zur Untersuchung von Vorgangen in Industrie Wirtschaft und Verwaltung 2 Auflage Munchen Hanser 1969 ISBN 3 446 10543 3 Gerlach Horst Heinz Klaus Simons Bernard Das Multimoment Zeitmessverfahren Grundlagen und Anwendung Koln TUV 1987 ISBN 3 88585 401 5 Grap Rolf Produktion und Beschaffung Eine praxisorientierte Einfuhrung Munchen Vahlen 1998 ISBN 978 3 8006 2321 1 S 205 213 REFA Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e V Hrsg Datenermittlung Methodenlehre des Arbeitsstudiums Teil 2 6 Auflage Munchen Hanser 1978 ISBN 3 446 12704 6 Schmidt Gotz Methode und Techniken der Organisation Giessen Schmidt 2001 ISBN 3 921313 62 7 Pock Erwin Die Multimoment Studie als Methode der Informationsgewinnung zur zeitlichen Prozessstrukturierung Wien Verband d Wissenschaftl Gesellschaften Osterreichs 1974 Dissertation Manfred Schulte Zurhausen Organisation 4 Auflage Munchen Vahlen 2005 ISBN 3 8006 3205 5 REFA Verband fur Arbeitsgestaltung Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung e V Methodenlehre der Betriebsorganisation Datenermittlung Munchen Hanser 1997 ISBN 3 446 19059 7Einzelnachweise Bearbeiten Tippett Leonard H C Use of the Binomial and Poisson Distribution A Snap Reading Method of Making Time Studies of Machines and Operations in Factory Surveys In Shirley Institute Memoirs 13 1934 11 S 35 93 Zitiert nach Brisley Chester L Work Sampling and Group Timing Technique In Zandin Kjell B Maynard s Industrial Engineering Handbook 5 Aufl New York McGraw Hill 2001 ISBN 0 07 041102 6 S 17 47 17 64 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Multimoment Studie amp oldid 225547424