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Die Klingelputz Affare umfasste eine Reihe schwerster Misshandlungen an Gefangenen der Kolner Justizvollzugseinrichtung Klingelputz welche im Jahr 1965 durch einen Journalisten der Kolner Boulevardzeitung Express aufgedeckt wurden In der Folge kam es zu etlichen Gerichtsprozessen ab 1966 Inhaltsverzeichnis 1 Recherche 2 Ermittlungen 3 Untersuchungsausschuss 4 Folgen 5 EinzelnachweiseRecherche BearbeitenDer Klingelputz war ein Gefangnisbau aus den 1830er Jahren und benannt nach der gleichnamigen anliegenden Strasse Er brachte es bereits im Dritten Reich zu unruhmlichem Ruf In jener Zeit gab es nicht nur Misshandlungen sondern auch rund 1000 vollzogene Hinrichtungen deren Urteile oftmals willkurlich gefallt wurden Im Fruhjahr 1965 wandten sich mehrere entlassene Strafgefangene an den Kolner Rechtsjournalisten Hans Wullenweber und berichteten von schweren Misshandlungen und Todesfallen welche sich in dem Kolner Innenstadtgefangnis ereignet haben sollten Sie fuhrten aus dass Vollzugsbeamte und deren Hilfskrafte die so genannten Kalfaktoren daran beteiligt gewesen seien Man habe versucht sich zu beschweren aber jedes Mal seien die Eingaben abgewiesen worden und Strafanzeigen gescheitert Es habe eine Mauer des Tabus gegeben 1 Wullenweber recherchierte acht Monate lang Seine Nachforschungen ergaben dass in der Psychiatrischen Beobachtungsstation Patienten schwerste Misshandlungen durch Fauste Stiefel Knuppel Schlusselbunde sowie durch Zwangsbader und Elektroschockbehandlungen erfahren haben Der Untersuchungshaftling Anton Wasilenko soll im Juni 1964 in einer Badewanne von zwei Beamten zehn Minuten lang mit Gummiknuppeln maltratiert worden sein bis ihm die Haut stellenweise in Fetzen herunterhing und das Wasser sich blutrot farbte Er starb vier Wochen spater am 22 Juli 1964 1 Der Journalist startete unter der Uberschrift Gelitten und gestorben im Klingelputz eine Artikelserie im Kolner Express 2 Er verstandigte auch Wasilenkos Witwe Katharina Diese erstattete am 28 Oktober 1965 Strafanzeige und zusammen mit Wullenweber legte sie den Vorgang der Kolner Generalstaatsanwaltschaft unter Walter Haas vor Mit der Bemerkung dass an der ganzen Geschichte nichts dran sei verblieb dieser jedoch in Untatigkeit Ermittlungen BearbeitenAls ein anderer Gefangnisskandal Glocke Skandal die Bundesrepublik erschutterte 3 ordnete Artur Strater CDU Justizminister des Landes Nordrhein Westfalen im Marz 1966 die Exhumierung der Leiche Wasilenkos an Die Obduktion der Leiche ergab einen Bruch des Schadels einen Rippenbruch und Anzeichen fur einen Bluterguss uber dem rechten Auge Die Ermittler schlossen nicht aus dass die Verletzungen auf Misshandlungen durch Aufsichtsbeamte zuruckzufuhren sind Der Totenschein wurde seinerzeit durch den Anstaltsarzt Walter Schramm ausgestellt dieser wies aber lediglich Herzschwache als Todesursache aus 4 Die Kolner Staatsanwaltschaft horte bis in den September 1966 fast 80 Zeugen zum Fall Wasilenko an Anschliessend stellte sie aber das Verfahren wegen Korperverletzung mit Todesfolge mangels Beweises ein Dann aber traten zwei weitere Ereignisse ein die die Staatsanwaltschaft zum Umdenken in Bezug auf die Zustande in diesem Gefangnis und zur Wiederaufnahme des Verfahrens bewogen Am 9 Mai 1964 erhangte sich im Klingelputz der 19 jahrige Armin Milewski nachdem er mehrfach um Verlegung in eine Gemeinschaftszelle gebeten hatte und dieser Bitte nicht gefolgt worden war Er kundigte seinen Selbstmord sogar vor dem Gefangnisarzt an am 4 Oktober 1965 wurde der 26 jahrige turkische Gastarbeiter Mohammed Ali Tok tot in der Krankenzelle aufgefunden nachdem er Tage zuvor von Mitgefangenen unter Wegschauen des Wachpersonals in seiner Zelle mehrfach verprugelt worden war Eine Sonderabteilung der Verfolgungsbehorde ermittelte nun mit Nachdruck gegen Angestellte des Klingelputz Die Zahl der Ermittlungsverfahren stieg auf mehr als 100 und viele Anschuldigungen ehemaliger Haftlinge bestatigten sich Das erste grosse Klingelputz Verfahren im November 1966 richtete sich auch wieder gegen die zuvor entlasteten Kalfaktoren Lazarett Oberverwalter Hubert Naudet sein Rezept vorbeugende Prugel fur Neuzugange damit denen gleich klar wurde was sie erwartet wenn sie spater mal renitent werden und Hauptwachtmeister Heinrich Halfen ich ware lieber Scharfrichter geworden 4 In je elf Fallen sollen sie insgesamt 15 Lazarettinsassen misshandelt haben so z B den renitenten Strafgefangenen Lothar Sommerfeldt Dieser wurde von beiden Wachtmeistern gleichzeitig mit schwersten Gummiknuppelhieben maltratiert und auch Stunden spater noch einmal misshandelt Wahrend des Verfahrens versuchte Naudet Belastungszeugen einzuschuchtern und zu beeinflussen 5 Im anschliessenden Urteil des Kolner Landgerichts wurden Naudet fur acht Monate und Halfen fur zwolf Monate ohne Bewahrung ins Gefangnis geschickt Den vergleichsweise milden Urteilsspruch erlauterte der vorsitzende Richter Walter Schmitz Justen so Je grosser das Versagen der Aufsichtsbehorden desto kleiner das Verschulden der Angeklagten 4 Untersuchungsausschuss BearbeitenAm Ende des Jahres waren die Vorgange im Kolner Klingelputz auch Thema eines Untersuchungsausschusses des Dusseldorfer Landtags Dort stellte sich heraus dass es seit uber zehn Jahren keine Inspektionen des Krankenbereichs des Klingelputz mehr gegeben habe Die hierfur verantwortliche Behorde die Arbeitsgruppe Strafvollzug im Dusseldorfer Justizministerium deren Chef der zwischenzeitlich verstorbene Ministerialdirigent Hubert Hey war 1901 1965 vor 1945 Kriegsgerichtsrat 6 zeigte sich ahnungslos Das Ausbleiben der Inspektionsberichte seit 1955 war bis dato niemandem aufgefallen Der an der Spitze der Hierarchie des Kolner Strafvollzugs stehende Kolner Generalstaatsanwalt Walter Haas verliess sich auf Angaben seiner Untergebenen die sich wiederum von den vor Ort arbeitenden Medizinern Chefarzt Rolf Wachsmuth und Walter Schramm den ordnungsgemassen Betrieb der Einrichtung versichern liessen und dass Zwangsbad und Zwangsernahrung sowie die Beruhigungszelle Massnahmen der Therapie und Behandlung und zum arztlichen Instrumentarium gehorten Das ermoglichte den Medizinern ihre fragwurdigen Methoden uber Jahre ungehindert zur Anwendung zu bringen Der Vorganger Wachsmuths der Oberregierungsmedizinalrat Gunter Meisenbach der bis 1958 zehn Jahre lang im Klingelputz im Dienst war brachte vor dem Untersuchungsausschuss auf den Punkt was er als behandelnder Arzt im Klingelputz von den angeblich Kranken hielt Abschaum des Abschaums und Ein unheimlich verdorbenes Material an Gefangenen Der Arzt der zur Zeit der Untersuchungen im Aachener Gefangnis arbeitete zeigte sich sehr zielgerichtet um unruhige Kranke zu bandigen Sie kamen gleich in die Absonderung und er verzichtete auch auf Signalsysteme denn tagsuber sei immer jemand da und nachts gibt es nichts zu wunschen Und falls doch uberliess er medizinischen Laien wie dem Wachpersonal zu tun was dies er fur richtig hielt 4 Folgen BearbeitenDer Gefangnisdirektor des Klingelputz Walter Balensiefer wurde seines Postens enthoben ebenso wie die Nervenarzte Wachsmuth und Schramm der anschliessend privat praktizierte Beide wurden Anfang Dezember 1969 zu Geldstrafen von 10 200 DM Wachsmuth und 7 500 DM Schramm verurteilt AZ 34 Js 676 66 7 Auch der Kolner Generalstaatsanwalt Haas musste sein Amt aufgeben Begleitet wurde der Prozess durch zahlreiche Berichte in nationalen und auch internationalen Zeitungen Die Dienst und Fachaufsicht wurde verstarkt indem spezielle Justizvollzugsamter in Koln und Hamm als Mittelbehorden geplant und zu Beginn der 1970er Jahre in Betrieb genommen wurden Nicht als eine unmittelbare Folge aber formlich begleitend wurde im Kolner Stadtteil Ossendorf eine neue und moderne Justizvollzugsanstalt errichtet Grundsteinlegung der JVA Koln am 3 November 1961 Der Neubau erfolgte auch vor dem Hintergrund dass das 130 Jahre alte Gemauer des alten preussischen Gefangnisses am Klingelputz morbide war Alleine zu Beginn der 1960er Jahre gelang es so 27 Gefangenen auszubrechen 8 Der Umzug erfolgte zum Ende der 1960er Jahre Der Abriss des alten Klingelputz erfolgte durch Sprengung am 4 Juni 1969 Einzelnachweise Bearbeiten a b Hans Wullenweber Die Klingelputz Affare Aspekte und Konsequenzen in Dietrich Rollmann Hrsg Strafvollzug in Deutschland Situation und Reform Frankfurt a M 1967 S 121 124 hier S 123 Sammlung von Presseausschnitten zum Fall Klingelputz Barch B 141 Nr 72661 Es wurde der gewaltsame Tod des Untersuchungshaftlings Ernst Haase aufgedeckt der im Juni 1964 in einer uberhitzten Hamburger Gefangniszelle verstarb Die Zelle trug den Beinamen Glocke und diente zur Beruhigung renitenter Gefangener Der Vorgang wurde 1966 zum Untersuchungsgegenstand im Hamburger Senat online in der Die Zeit vom 2 Februar 1973 a b c d Affaren Rotes Badewasser aus Der Spiegel 49 1967 vom 27 November 1967 Hans Wullenweber Weisung aus dem Ministerium in Die Zeit vom 20 September 1968 Wer sind die wahren Totengraber unserer Freiheit Info Schrift des KPD Mitglieds und ehem KZ Haftlings Heinz Junge Hans Wullenweber Unbandiger Tiger in Die Zeit vom 5 Dezember 1969 Bevor das Sieb dicht ist aus Die Zeit vom 2 August 1968 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Klingelputz Affare amp oldid 214288361