Innovationsfähigkeit ist die Fähigkeit von Individuen, Gruppen, Institutionen oder Netzwerken, kontinuierlich Innovationen hervorzubringen. Sie ergibt sich aus dem komplexen Zusammenspiel der Dimensionen Mensch, Organisation und Technik. Viele Unternehmen versuchen z. B. durch Innovations- und Wissensmanagement sowie Personal- und Organisationsentwicklung ihre Innovationsfähigkeit zu erhöhen, da diese starken Einfluss auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit hat.
Treiber von Innovationsfähigkeit Bearbeiten
Innovationsfähigkeit kann nach weit verbreiteter Auffassung nicht verordnet oder vorgeschrieben werden. Unterschiedliche Mittel oder Treiber können jedoch die Innovationsfähigkeit fördern und das Auftreten von Innovationen wahrscheinlicher machen. Mögliche Treiber von Innovationsfähigkeit sind:
Um die Entwicklung von Innovationsfähigkeit in Unternehmen zu begünstigen, ist ein Zusammenspiel dieser und anderer unterschiedlicher Merkmale des Innovationsmanagements notwendig.
Sozio-ökonomische Bedeutung Bearbeiten
Innovationsfähigkeit ist ein wichtiger Faktor für Wachstum und Beschäftigung. Innovationsfähige Unternehmen sind wettbewerbsfähiger und können so zur Schaffung bzw. Erhaltung von Arbeitsplätzen beitragen. Somit hat Innovationsfähigkeit auch Einfluss auf das Wohlstandsniveau einer Gesellschaft. Um Menschen an Innovationsprozessen zu beteiligen und ihre Potenziale optimal zu nutzen, werden sie in innovationsfähigen Unternehmen in ihren persönlichen Kompetenzen gefördert. Eine menschengerechte Arbeitsgestaltung gilt ebenfalls als entscheidender Faktor für die langfristige Nachhaltigkeit eines Unternehmens.
Politische Bedeutung für Deutschland und Europa Bearbeiten
Die Politik entwirft Rahmenbedingungen, unter denen Individuen, Gruppen, Organisationen und Netzwerke befähigt werden, kontinuierlich eine hohe Zahl an Innovationen hervorzubringen. Mit dem Projekt „Hightech-Strategie“ fördert die Bundesregierung die Innovationsfähigkeit des Standorts Deutschland. Von 2006 bis 2009 flossen 14,6 Milliarden Euro in 17 Zukunftsfelder und damit verbundene Querschnittsaktivitäten. Themen sind beispielsweise Biotechnologie, Energieforschung, aber auch menschengerechte Arbeitsgestaltung. Die Hightech-Strategie für Deutschland zielt insbesondere auf eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Dabei sollen Transferwege geschaffen werden, die eine effiziente Umwandlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Ideen in marktfähige Produkte ermöglichen.
Das BMBF-Förderprogramm „Arbeiten – Lernen – Kompetenzen Entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt“ hat als Teil der Hightech-Strategie zum Ziel, praxisrelevante Ergebnisse aus der Vernetzung von Arbeits-, Lern- und Kompetenzforschung zur Steigerung der Innovationsfähigkeit in Deutschland nutzbar zu machen. Auf europäischer Ebene leistet das Programm einen Beitrag zur Erfüllung der in der Lissabon-Strategie geforderten Entwicklung der EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt.
Operationalisierung von Innovationsfähigkeit Bearbeiten
Die Einflussfaktoren von Innovationsfähigkeit sind äußerst komplex. Bisher existiert keine allgemein anerkannte empirische Grundlage zur Operationalisierung von Innovationsfähigkeit. Allgemein anerkannt ist, dass Innovationen der entscheidende Faktor sind, um internationale Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand sicherzustellen. Deshalb existiert international das Bestreben, die Innovationsfähigkeit der eigenen Volkswirtschaft zu beurteilen.
Innovationsindikator Deutschland Bearbeiten
Der Innovationsindikator ist eine Kooperation von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Er wurde vom BDI gemeinsam mit der Deutsche Telekom Stiftung initiiert, bevor 2015 acatech Kooperationspartnerin wurde.
Der jährlich erscheinende Innovationsindikator ist eine vergleichende Studie zur Innovationsstärke. Er erfasst die Innovationsbedingungen am Wirtschaftsstandort Deutschland und vergleicht sie in einem Ranking in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Staat und Gesellschaft sowie in einem Gesamtindikator mit den weltweit führenden Industrieländern und aufstrebenden Staaten.
Die Studie wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellt.
Zentrale Ergebnisse 2015 Bearbeiten
- Deutschland verkürzt im internationalen Innovationswettbewerb den Abstand zum Spitzenreiter Schweiz und liegt auf dem fünften Platz.
- Insgesamt rückt die Spitzengruppe enger zusammen, während Frankreich und China den Anschluss verlieren.
- Zu Deutschlands Stärken gehören Hightech-Exporte, technologiebasierte Neuerungen sowie die Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft.
- Das Bildungssystem bleibt trotz erkennbarer Fortschritte eine Schwäche.
- Zu einem Risiko entwickelt sich der Fachkräftemangel: Das Interesse an technischen Berufen nimmt weiter ab.
- Fast jeder zweite Hidden Champion weltweit kommt aus Deutschland. Insgesamt jedoch spielen KMU eine nachrangige Rolle im hiesigen Innovationssystem.
- Nur 16 Prozent der Mittel für Forschung und Entwicklung aus der Wirtschaft investieren KMU, ein unterdurchschnittlicher Wert. In Südkorea beispielsweise sind es 27 Prozent.
- Trotz vieler Hidden Champions in Deutschland spielen deshalb kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine nachrangige Rolle im hiesigen Innovationssystem.
- Nur jedes zweite KMU leistet sich eine formale Forschung und Entwicklung im eigenen Haus.
- Auf KMU ausgerichtete Förderprogramme sehen die Studienautoren als wirksamer Hebel: KMU brauchen bessere Zugänge zu Förderprogrammen, ausländischen Fachkräften und digitalen Ökosystemen nach dem Prinzip „Easy Access“.
Top 100 Bearbeiten
Ein weiteres Beispiel zur Messung der Innovationsfähigkeit mittelständischer Unternehmen liefert das Benchmarking-Projekt TOP 100 unter der Schirmherrschaft von Ranga Yogeshwar. Dieses Verfahren, welches von der compamedia GmbH unter der wissenschaftlichen Leitung von Nikolaus Franke, Professor für Entrepreneurship und Innovation der Wirtschaftsuniversität Wien erhoben wird, ermittelt in einem bundesweiten und branchenübergreifenden Rahmen diejenigen Unternehmen, die über hervorragende Innovationsprozesse verfügen. Es gibt drei Größenklassen, in denen sich die Unternehmen qualifizieren können.
Das Erhebungsverfahren zur Qualifizierung für die TOP 100 ist gebührenpflichtig und wird mittels eines qualitativen Bewerbungsmodus realisiert.
Das Messverfahren wird mit Hilfe von über 100 verschiedenen Input-, Prozess- und Outputindikatoren durchgeführt.
Bewertungskategorien im Hinblick auf die der Erhebung inhärente Potenzialanalyse (Analyse zukünftiger Innovationspotenziale) sind:
- Innovationsförderndes Top-Management
- Innovationsklima
- Innovative Prozesse und Organisation
- Innovationsmarketing
- Innovationserfolg
Neben der Potenzialanalyse, die als Indikator des zukünftigen Erfolges dient, liefert das TOP-100-Verfahren weiterhin eine Diagnose des gegenwärtigen unternehmerischen Innovationserfolges durch einen Benchmarking-Bericht, der sich aus der vorherigen Unternehmensanalyse ergibt und von Nikolaus Franke erstellt wird.
Innovationsfähigkeitsforschung Bearbeiten
Das traditionelle Verständnis von Innovationen ist produkt-, technik- und marktorientiert. Erst im aktuellen Wandel des deutschen Wirtschaftssystems der Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft etabliert sich ein ganzheitliches Innovationsverständnis, das neben technischen Aspekten verstärkt die menschlichen, sozialen und organisationalen Merkmale von Innovationen fokussiert.
Vor diesem Hintergrund entwickelt sich mit der Innovationsfähigkeitsforschung ein interdisziplinärer Wissenschaftszweig, der kompetente Menschen und wandlungsfähige Unternehmen als entscheidende Enabler von Innovationen identifizieren konnte und ihren Einfluss in systemisch begrenzten Innovationsprozessen untersucht. Statt der Erforschung neuer Technologien geht es hier um die Erforschung der Bedingungen innovativer Arbeits- und Lernwelten. So sucht die Innovationsfähigkeitsforschung beispielsweise nach neuen Formen der Arbeitsorganisation, Merkmalen innovativer Unternehmenskulturen oder adäquaten Persönlichkeitskompetenzen in immer flexibleren Arbeitsverhältnissen. Mit der Betonung der Innovationsfähigkeit erhalten die sogenannten „weichen Faktoren“ in Wertschöpfungsprozessen eine verstärkte Beachtung und erhöhte Wertigkeit. Das wirtschaftliche Handeln zielt dann nicht mehr allein auf kurzfristige monetäre Gewinne, sondern orientiert sich an Nachhaltigkeit und wird damit um menschliche und soziale Aspekte erweitert. Die Innovationsfähigkeitsforschung befindet sich derzeit in der Entwicklungsphase. Neben der Arbeits- und Lernforschung sind weitere Bereiche der Soziologie, Psychologie und Pädagogik sowie vermehrt auch Betriebs- und Volkswirtschaftler, Personalentwickler und Ingenieure an der Ausbildung einer Forschungsgemeinschaft beteiligt. Die Interdisziplinarität ist von fundamentaler Bedeutung für die Innovationsfähigkeitsforschung und hilft neue Ideen zu generieren. Das Buchprojekt „Enabling Innovation“, welches im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Projekts „International Monitoring“ herausgegeben wurde, bietet genau dieses Forum für interdisziplinäre und internationale Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik und gibt eine praxisnahe Einsicht in das Thema Innovationsfähigkeit.
Literatur Bearbeiten
- Gustav Bergmann, Jürgen Daub: Systemisches Innovations- und Kompetenzmanagement. Grundlagen – Prozesse – Perspektiven. 2. Auflage. Gabler Verlag, Wiesbaden 2008.
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Forschung und Innovation für Deutschland. Bilanz und Perspektive. Bonn, Berlin 2009.
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln. Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeitswelt. Bonn, Berlin 2007.
- Klaus Henning et al.: Wissen – Innovation – Netzwerke. Wege zur Zukunftsfähigkeit. Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-00668-0.
- Sabina Jeschke, Ingrid Isenhardt, Frank Hees, Sven Trantow: Enabling Innovation: Innovationsfähigkeit – deutsche und internationale Perspektiven. Springer, Berlin/Heidelberg 2011, ISBN 3-642-24298-7
- Sabina Jeschke: Innovation im Dienste der Gesellschaft: Beiträge des 3. Zukunftsforums des BMBF. Campus Verlag, Frankfurt 2011, ISBN 3-593-39523-1.
- Jürgen Klippert: Beitrag partizipativer Aspekte der Arbeitsgestaltung und des Wissensaustausches zum Innovationserfolg. In: Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik. Heft 2/2009. Hrsg.: Bosch Gerhard et al. Stuttgart: Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH.
- Jens-Uwe Meyer: Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. 2. Auflage, Verlag BusinessVillage, Göttingen.
- Regine Rundnagel: Innovation und Beschäftigung – Mitgestalten der Zukunft. HBS Arbeitspapiere, hg. von der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2004.
- Stephan Zelewski, Adem Alparslan (Hrsg.): Industrieerprobte Lösungen und Werkzeuge für Produktentwicklung, Engineering und Kompetenzmanagement. IN: Proceedings zum + Abschlussworkshop der Verbundprojekte GINA, KOEFFIZIENT und KOWIEN, 5. und 6. Oktober 2004. Marketing Management Institut Braunschweig.
- Martin Kaschny, Matthias Nolden, Siegfried Schreuder: Innovationsmanagement im Mittelstand: Strategien, Implementierung, Praxisbeispiele. Gabler, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-02544-1.
Einzelnachweise Bearbeiten
- Sven Trantow et al.: Die Fähigkeit zur Innovation – Einleitung in den Sammelband. In: Sabina Jeschke et al.: Enabling Innovation. Innovationsfähigkeit – deutsche und internationale Perspektiven. Springer, Berlin 2011, vgl. S. 3
- Klaus Henning et al.: Wissen – Innovation – Netzwerke. Wege zur Zukunftsfähigkeit. Springer, Berlin 2003, vgl. S. 133 und 170.
- ↑ (Memento vom 26. August 2010 im Internet Archive)
- ↑ Gustav Bergmann, Jürgen Daub: Systemisches Innovations- und Kompetenzmanagement. Grundlagen – Prozesse – Perspektiven. 2. Auflage. Gabler Verlag, Wiesbaden 2008.
- ↑ A. Hansen, S. Trantow, A. Richert, S. Jeschke: Strategien und Merkmale der Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen. In: S. Jeschke(Hrsg.): Innovation im Dienste der Gesellschaft: Beiträge des 3. Zukunftsforums Innovationsfähigkeit des BMBF. Campusverlag, Berlin/Frankfurt am Main 2011, S. 263–285.
- ↑ A. Hansen, S. Trantow, F. Hees: Enabling Innovation: Innovationsfähigkeit von Organisationen vor dem Hintergrund zentraler Dilemmata der modernen Arbeitswelt. In: ARBEIT. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik. Heft 01, 2010, S. 53–67.
- ↑ S. Trantow, A. Hansen, A. Richert, S. Jeschke: Emergence of Innovation. Eleven Strategies to Increase Innovative Capability. In: K.R.E. v. Huizingh, S. Conn, M. Torkkeli, I. Bitran (Hrsg.): Proceedings of the XXII ISPIM Conference. Lappeenranta University of Technology Press, 2011.
- Jürgen Klippert: Beitrag partizipativer Aspekte der Arbeitsgestaltung & des Wissensaustausches zum Innovationserfolg. In: Arbeit. Zeitschrift für Arbeitsforschung, Arbeitsgestaltung und Arbeitspolitik. Heft 2, 2009.
- Stephan Zelewski, Adem Alparslan (Hrsg.): Industrieerprobte Lösungen und Werkzeuge für Produktentwicklung, Engineering und Kompetenzmanagement. In: Proceedings zum Abschlussworkshop der Verbundprojekte GINA, KOEFFIZIENT und KOWIEN, 5. und 6. Oktober 2004. Marketing Management Institut Braunschweig.
- Regine Rundnagel: Innovation und Beschäftigung – Mitgestalten der Zukunft. HBS Arbeitspapiere, hg. von der Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf 2004.
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF): (Memento vom 12. Juni 2009 im Internet Archive) (PDF-Datei; 2,4 MB) Bonn, Berlin 2009
- Martin Kaschny, Matthias Nolden, Siegfried Schreuder: Innovationsmanagement im Mittelstand: Strategien, Implementierung, Praxisbeispiele. Gabler, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-02544-1.
- Schreinerei Stöcklin Schwab bei den Top 100 in Deutschland. In: Südkurier. 28. Juni 2015, abgerufen am 21. Dezember 2022.
- Institute for Entrepreneurship and Innovation der Wirtschaftsuniversität Wien, abgerufen am 13. November 2015.
- Jürgen Schreier: Dauerhafter Erfolg im Innovationswettbewerb. In: MM MaschinenMarkt. 26. Juni 2012, abgerufen am 21. Dezember 2022.
- TOP 100: Die innovativsten Unternehmen im Mittelstand. In: BizAwards. Abgerufen am 21. Dezember 2022.
- ↑ „Top 100“ – der Unternehmensvergleich im Pressebereich des Projekts TOP 100 (Memento vom 13. November 2015 im Webarchiv archive.today)
- Joseph Alois Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin 1993.
- Sabina Jeschke, Ingrid Isenhardt, Frank Hees, Sven Trantow: Enabling Innovation: Innovationsfähigkeit – deutsche und internationale Perspektiven. Springer, Berlin 2011, ISBN 3-642-24298-7.