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Gewalt in der Geburtshilfe ist seit 2014 ein Schwerpunktthema der WHO Viele Frauen machen gewaltsame und missbrauchliche Erfahrungen wahrend der Geburt Dabei verwendet die WHO einen Gewaltbegriff der physische und psychische Gewalt miteinbezieht Missbrauch Vernachlassigung und Geringschatzung wahrend der Geburt gefahrden das Menschenrecht auf Wurde und Schutz vor Diskriminierung Die WHO ruft daher zu vermehrtem Dialog Forschung und Fursprache auf 1 Hierfur wurden funf Massnahmen formuliert die unternommen werden mussen um Gewalt in der Geburtshilfe zu beenden Weitreichendere Unterstutzung von Regierungen und Entwicklungspartnern in der Forschung und bei Massnahmen gegen Geringschatzung und Misshandlung Initiierung Unterstutzung und Unterhaltung von Programmen fur die Verbesserung der Gesundheitsversorgung fur Mutter Ein besonderer Schwerpunkt muss die wertschatzende Versorgung als wesentliche Komponente einer qualitativ hochwertigen Versorgung sein Hervorhebung des Rechts von Frauen auf eine wurdevolle wertschatzende Gesundheitsvorsorge fur die gesamte Schwangerschaft und Geburt Datenerhebung zu wertschatzenden und gering schatzenden Versorgungspraktiken Haftungssystemen und sinnvoller professioneller Unterstutzung ist erforderlich Einbeziehung aller Beteiligten einschliesslich der Frauen in die Bemuhungen die Qualitat der Versorgung zu verbessern und gering schatzende und missbrauchliche Praktiken zu unterbinden 1 Es gibt lediglich Schatzungen der Soziologin Christina Mundlos aber keine offiziellen Statistiken daruber wie viele Gebarende von Gewalt in der Geburtshilfe betroffen sind Das liegt einerseits an fehlender Datenerhebung und andererseits an dem Tabu das sich aus Gewalterfahrungen ergibt Inhaltsverzeichnis 1 Gewaltsame Praktiken in der Geburtshilfe 1 1 Physische Gewalt 1 2 Psychische Gewalt 2 Haufigkeit 3 Globaler Aktionstag gegen Gewalt in der Geburtshilfe 4 Fachbuch und Medien 5 Hilfe und Unterstutzung 6 Literatur 7 Dokumentation 8 EinzelnachweiseGewaltsame Praktiken in der Geburtshilfe BearbeitenGewaltpraktiken in der Geburtshilfe sind in Form von korperlicher und psychischer Gewalt anzufinden Es besteht keine einheitliche Definition von Gewaltpraktiken in der Geburtshilfe da dieses Thema in der wissenschaftlichen Literatur nicht ausreichend behandelt wird Wesentlich ist hierbei das subjektive Empfinden der Betroffenen Ob Praktiken als gewaltsam erlebt werden hangt stark von den Umstanden ab Folgende Faktoren konnen fur das subjektive Gewaltempfinden bestimmend sein 2 Grad der Abhangigkeit Ausmass der Hilflosigkeit Verstehbarkeit der Vorgange Absicht und Einstellung der Betreuenden Ebenen der Gewalt Biografische Vorbelastungen ErstarrungGewalterfahrungen in der Geburtshilfe werden nicht selten als sexualisierte Gewalt erlebt So gern die Gynakologie uns seit Entstehung der Fachrichtung davon uberzeugen mochte dass ihr Gebiet nichts mit Sexualitat zu tun hat sie hat es doch Im Zentrum der Gynakologie und damit Geburtsmedizin als Teilgebiet steht nun einmal die individuelle Frau mit ihren Korper und Seelenteilen Die Geburtsmedizin und hilfe betreut ein sexuelles Wesen die Frau in schwangerem Zustand Das Augenmerk der Geburtsmedizin liegt auf den Geschlechts und Fortpflanzungsorganen der Frau dem assoziierten Sitz ihrer Sexualitat Eine Betreuung in diesem Bereich auch wenn der Fokus gern auf das angeblich asexuellen Kind gelegt wird bleibt eine an Sexualitat und damit Empfindsamkeit und Intimitat geknupfte Begleitung 2 Haufig werden Ubergriffe unter der Geburt sowohl von den Betroffenen als auch von anwesendem geburtshilflichem Personal als Vergewaltigung bezeichnet Im Englischen ist der Begriff Birth Rape schon langer gebrauchlich 3 In Deutschland hat sich die Soziologin Christina Mundlos 2018 in ihrem Blog fur die Verwendung des Begriffes ausgesprochen 4 Konkret konnen sich Gewaltpraktiken in folgenden Formen aussern Physische Gewalt Bearbeiten Festhalten Festschnallen der Beine keine freie Wahl der Geburtsposition z B in Ruckenlage auf dem Gebarbett grobe Behandlung z B Katheter unnotig schmerzhaft legen unnotig grobe schmerzhafte Untersuchungen medizinisch nicht indizierte Untersuchungen z B wiederholt nach dem Muttermund zu tasten wenn dies nicht gewollt notwendig ist ohne Einverstandnis oder ohne medizinische Notwendigkeit einen Dammschnitt durchzufuhren ohne Einverstandnis oder ohne medizinische Notwendigkeit einen Kaiserschnitt zu machen Kaiserschnitt ohne ausreichende Anasthesie 5 ohne Einverstandnis oder ohne medizinische Notwendigkeit sonstige medizinischen Interventionen Medikamentengabe Weheneinleitung Kristeller Handgriff Katheter legen Muttermunddehnung Eipolablosung Fruchtblaseneroffnung Sterilisation durchzufuhren unnotig haufige vaginale Untersuchungen auch von unnotig vielen Personen unnotig grosse Schnittfuhrungen z B beim Dammschnitt zu enges festes Vernahen eines Dammschnittes oder risses sog Husband Stitch das Herausziehen reissen der Plazenta falsch durchgefuhrter Kristeller Handgriff mit Ellenbogen mit Laken umwickelt mit Knien auf den Bauch mit dem gesamten Korper auf den Bauch etc Schlage Ohrfeigen Kneifen Zwang unter Wehen still zu liegen 6 7 Psychische Gewalt Bearbeiten Anschreien Ausubung von verbaler Gewalt Beschimpfungen Beleidigungen Auslachen mangelnde Informationen Fehlinformationen Druck ausuben Erpressungen Drohungen Gebarende unter Geburt allein lassen ausser wenn sie dies ausdrucklich will Ignorieren der Gebarenden ihrer Wunsche und Fragen keine echte Wahlfreiheit bei medizinischen Interventionen lassen Machtmissbrauch Notigung respekt oder wurdeloser Umgang mit Wunschen oder Intimsphare der Gebarenden pietatloser Umgang mit Plazenta Nabelschnur oder totgeborenen Kindern Sexualisierte Gewalt in Form von Sprache Witzen Verbot zu essen trinken sich zu bewegen Willkur 6 7 Haufigkeit BearbeitenStudien weisen nach dass es rund um die Geburt oft zu verbaler und physischer Gewalt kommt 8 Nach Schatzung von Soziologin und Autorin des Buches Gewalt unter der Geburt Christina Mundlos erfahren mindestens 40 bis 50 Prozent aller Frauen psychische oder korperliche Gewalt wahrend der Geburt 9 Globaler Aktionstag gegen Gewalt in der Geburtshilfe Bearbeiten Hauptartikel Roses Revolution Der globale Aktionstag Roses Revolution richtet sich gegen Gewalt in der Geburtshilfe und wird jahrlich am 25 November begangen Die Aktion Roses Revolution wurde am 4 November 2013 auf der 3 Human Rights in Childbirth Konferenz im belgischen Blankenberge nach einer Idee von Jesusa Ricoy ins Leben gerufen Ziel ist es auf gewaltsame und missbrauchliche Erfahrungen im Geburtsverlauf aufmerksam zu machen Betroffene Frauen werden dazu ermutigt Rosen und ggf einen personlichen Brief vor den Krankenhausern bzw Kreissalen niederzulegen in denen sie Gewalt erlebt haben 2016 wurden 22 der deutschen Kliniken mit Rosen bedacht 10 Neben Gebarden losen gewaltsame Praktiken im Geburtsverlauf auch bei Hebammen hier vor allem Hebammenschulerinnen Betroffenheit aus da sie nicht selten unfreiwillig Zeuginnen von Gewalthandlungen werden Nicht umsonst ist eine der WHO Forderungen in diesem Zusammenhang die Qualitatssicherung des institutionalisierten Geburtsverlaufs unter Beteiligung aller Betroffenen Klinikleiter Arzte Hebammen Gebarende etc Aus der Politik kommt im deutschsprachigen Raum bisher keine wesentliche Reaktion Fachbuch und Medien BearbeitenNachdem die Soziologin Christina Mundlos 2015 das erste Fachbuch zu der Thematik veroffentlicht hatte kam es in Deutschland zu einem Medienecho und zu einem ersten Umdenken beim geburtshilflichen Personal Der Deutsche Hebammenverband widmete sich in seiner Bundesdelegiertentagung 2015 dem Thema und lud Mundlos als Rednerin Seitdem lassen sich Hebammenverbande Doula Geburtsbegleiterinnen und Gynakologen in Workshops von Mundlos zur Sensibilisierung und Deeskalation fortbilden Zumindest die Anzahl der Dammschnitte ist seit dem Erscheinen des Buches von 24 auf ca 19 gesunken 11 Die Medien stellten die Thematik der Gewalt rund um die Geburt auch in den Kontext der MeToo Debatte Die kleinen und grossen Grenzuberschreitungen die Frauen aufgrund ihres Frauseins erleben wurden derzeit so dringlich wie lange nicht mehr diskutiert 12 Bei der Frage was gesellschaftlich akzeptabel ist stehe die Gesellschaft heute beim Thema Gewalt in der Geburtshilfe an einem ahnlichen Wendepunkt wie in den 1980er Jahren beim Thema Vergewaltigung in der Ehe 13 Hilfe und Unterstutzung BearbeitenDas Bewusstsein auf institutioneller Ebene ist noch nicht ausgepragt und Veranderungen geschehen nur im kleinen Stil Einzelne Geburtshauser und kliniken verfugen uber hohe selbstgesetzte Standards die jedoch nicht flachendeckend ubernommen werden Gebarende Frauen konnen sich bereits im Voraus uber die gangigen Praktiken am gewahlten Entbindungsort informieren Auch ein Geburtsplan der mit dem Krankenhauspersonal besprochen wird kann vorbeugend gegenuber ungewollten Eingriffen in die Intimsphare der Gebarenden wirken 14 Eine noch rechtsverbindlichere Form bietet die Justiziable Patientinnenverfugung wie sie Anfang 2019 von der Soziologin und Doula Christina Mundlos und der Bindungsanalytikerin Doris Lenhard vorgestellt wurde 15 Als weitere Praventiv Massnahme kann das Engagieren einer Doula und das Aufarbeiten von traumatischen Vorerfahrungen empfohlen werden 16 Hilfe bei der Bewaltigung von belastenden Geburtserlebnissen bieten Hebammenverbande und Traumatherapeutinnen Kassentherapeutinnen sind oft noch nicht auf das Thema eingestellt Doch es gibt in Deutschland Osterreich und der Schweiz einige Psychologinnen und Heilpraktikerinnen die sich auf Geburtstraumatisierungen spezialisiert haben und die in einer Liste mit Anlaufstellen von Christina Mundlos zusammengestellt wurden 17 Literatur BearbeitenChristina Mundlos Gewalt unter der Geburt Der alltagliche Skandal Tectum Marburg 2015 ISBN 978 3 82883 575 7 Dokumentation BearbeitenMarie von Kuck Weinen hilft dir jetzt auch nicht Gewalt in der Geburtshilfe 52 50 Min WDR 5 Radio Feature 21 Oktober 2019 Verfugbar bis 20 Oktober 2020 Einzelnachweise Bearbeiten a b Prevention and elimination of disrespect and abuse during childbirth Abgerufen am 5 Marz 2017 britisches Englisch a b Gegen Gewalt in der Geburtshilfe Nicht mehr online verfugbar Archiviert vom Original am 28 Februar 2017 abgerufen am 5 Marz 2017 nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www geburtsallianz at Irin Carmon What Is Birth Rape Abgerufen am 10 Februar 2019 amerikanisches Englisch Christina Mundlos Birt Rape Vergewaltigung im Kreisssaal 22 November 2018 abgerufen am 11 Februar 2019 Jennifer Litters Bei vollem Bewusstsein den Bauch aufgeschnittenKaiserschnitt ohne Narkose warum passiert das immer wieder In focus de 22 Mai 2015 abgerufen am 14 Juni 2020 a b Christina Mundlos Gewalt unter der Geburt Tectum Marburg 2015 ISBN 978 3 8288 3575 7 S 216 a b Initiative fur eine gerechte Geburtshilfe in Deutschland Gewalt in der Geburtshilfe Abgerufen am 5 Marz 2017 S Miller A Lalonde The global epidemic of abuse and disrespect during childbirth History evidence interventions and FIGO s mother baby friendly birthing facilities initiative In International Journal of Gynaecology and Obstetrics the Official Organ of the International Federation of Gynaecology and Obstetrics Band 131 Nr 1 Oktober 2015 S S49 52 doi 10 1016 j ijgo 2015 02 005 PMID 26433506 englisch Christina Mundlos Gewalt unter der Geburt Der alltagliche Skandal Tectum Marburg 2015 ISBN 978 3 8288 3575 7 S 216 Roses Revolution fur eine gewaltfreie Geburtshilfe Abgerufen am 5 Marz 2017 SQG Sektorenubergreifende Qualitat im Gesundheitswesen AQUA Institut Nicht mehr online verfugbar Archiviert vom Original am 14 Februar 2019 abgerufen am 10 Februar 2019 nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und 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