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Das Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg war ein von Joseph Beuys 1921 1986 im Rahmen des von der Stadt Hamburg 1983 initiierten Wettbewerbs Stadt Natur Skulptur geplantes Projekt Es war angelegt als Notrettung des zerstorten Stadtteils Altenwerder und den dort mit giftigem Elbschlick aufgehauften Spulfeldern Zugleich sollte es einen Prozess der radikalen Umgestaltung des gesamten Hamburger Stadtstaates einleiten Durch ein Veto des damaligen Burgermeisters Klaus von Dohnanyi wurde das Projekt im Juli 1984 gestoppt und nicht realisiert Joseph Beuys Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Vision 3 Projekt 4 Rezeption 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenIm Mai 1983 wurde Joseph Beuys neben anderen Kunstlern von der Kulturbehorde der Stadt Hamburg eingeladen im Wettbewerb Stadt Natur Skulptur ein Kunstwerk fur eine stadtische Flache seiner Wahl zu entwerfen Dieser mit 400 000 DM dotierte Wettbewerb war angesiedelt im Rahmen des Programms Kunst im offentlichen Raum das 1981 in Hamburg die Kunst am Bau abgelost hatte Erklartermassen wurde ein Vorschlag gesucht der die Gestaltung im Aussenraum mit deutlichen gesellschaftlichen Bezugen erganzte Beuys hatte fur seinen Projektvorschlag den Standort der umstrittenen Spulfelder in Hamburg Altenwerder gewahlt Dieser Stadtteil ein ehemaliges Fischerdorf war nach einem Senatsbeschluss von 1973 zwangsentsiedelt und abgerissen worden Ab 1979 wurde sein sudlicher Teil fur die Ablagerung ausgebaggerten Elbschlicks genutzt jahrlich deponierte die Stadt Hamburg ungefahr 2 5 Millionen Kubikmeter hochgradig durch Kadmium Blei Quecksilber und weiteren Schwermetallen und Industriegiften belasteten Elbsand Dies war einerseits kostengunstiger als eine Entsorgung verseuchte jedoch grosse Flachen und gefahrdete das Grundwasser 1 nbsp Die St Gertrud Kirche von AltenwerderSowohl die Zwangsumsiedlung der Bewohner der vollstandige Abriss des traditionellen Fischerdorfs lediglich die Kirche und der Friedhof blieben als Relikte wie die Zerstorung des Naturraums bei gleichzeitiger hochgradiger Umweltbelastung und unabsehbarer Gesundheitsgefahrdung hatten seit Anfang der 1970er Jahre zu massiven Protesten der Bevolkerung gefuhrt Diesen eindeutigen Vorrang der Hafen und Wirtschaftspolitik vor Umwelt und Sozialfragen griff Joseph Beuys als grossten okologischen Problemfall Hamburgs mit seinem Projektentwurf des Gesamtkunstwerks Freie und Hansestadt Hamburg kritisch auf Im Juli 1984 erhielt er den Zuschlag durch die Kulturbehorde die Umsetzung war fur den Herbst 1984 geplant 2 Vision BearbeitenIn seiner Projektskizze problematisierte Beuys die Krise des traditionellen Kunstbegriffs insbesondere im Aussenraum wo er weitgehend zu ausserlicher Verschonerungs und Dekorationstechnik verkommen sei und verband dies mit einer Kritik an dem sozialen Gestaltungsdefizit angesichts drohender Umweltkatastrophen Sein Vorschlag basierte auf dem von ihm entwickelten erweiterten Kunstbegriff der sozialen Plastik der eine radikale gesamtgesellschaftliche Umorientierung forderte Gestaltung umfasse demnach alle Bereiche der menschlichen Kreativitat auch die Entwicklung der Lebens und Arbeitsbedingungen Die Zielrichtung musse sein aus gemeinsamer Verantwortung ein okologisches Gesamtkunstwerk zu schaffen Das Projekt war die Vision eines ganzheitlichen die gesellschaftliche Gegensatze zwischen Wirtschaft und Natur versohnenden Handelns zur Bewaltigung der bestehenden Umweltproblematik Es sollte eine Umgestaltung des gesamten Hamburger Stadtstaates mit okologischer Ausrichtung in Politik Verwaltung Darstellung und Aussenraum einleiten und weitertreiben genau das ist mit dem Titel Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg benannt Projekt BearbeitenDas Werk selbst beinhaltete sowohl eine asthetische wie eine politische Dimensionen In der direkten Aktion wollte Joseph Beuys auf den Spulfeldern eine etwa zehn Zentner schwere bearbeitete Basaltsaule aus seiner Serie Das Ende des 20 Jahrhunderts 1982 1983 abwerfen der Sand dieser zur Wuste gewordenen Wirtschaftsflache sollte zuvor mit Samen schnell wachsender Pflanzen vermischt werden Gedacht war diese Aktion als der symbolische Auftakt eines einzuleitenden Veranderungsprozesses der Basalt als Ausdruck erstarrter Energie dessen Bearbeitung mit Blei als Hinweis auf die Umweltverseuchung der Abwurf sodann sollte den Anstoss zum Umdenken darstellen die Samen die sich durch die Wucht eines Abwurfs verteilen eine Wandlung der Todeszone in eine Kunstzone bewirken Der symbolischen Handlung die Beuys gezielt mit seiner Prominenz in die Offentlichkeit bringen wollte sollte der konkrete Eingriff in das Gelande als eine Art Nothilfe durch Bepflanzung mit ausgewahlten geeigneten Baumen Strauchern und Grasern folgen die in der Lage gewesen waren schadliche Ablagerungen zu binden und weitere Versickerungen in das Grundwasser zumindest zu verzogern Er stellte hier einen direkten Zusammenhang mit seinem 7000 Eichen Projekt fur die documenta 7 1982 in Kassel her nbsp Ausschnitt aus dem Projekt 7000 Eichen in KasselDie politische Dimension des Projekts sollte parallel und aus der asthetischen Aktion weiterentwickelt ein komplexer und langfristig angelegter gesellschaftlichen Prozess sein Als Anlaufstelle eines Forums sollte in der Hamburger Innenstadt ein Buro eingerichtet werden in dem an einem permanenten Diskurs ahnlich der spater entwickelten Form des Runden Tischs Politik Verwaltung Umweltverbande Firmen Fakultaten der Universitaten und Kulturvertreter eine okologisch orientierte Umgestaltung des gesamten Stadtstaates Hamburg vorantrieben Dazu sollte der Etat des Wettbewerbs von 400 000 DM als Grundstock in eine Stiftung eingebracht und eine kontinuierliche Finanzierung gesichert werden Die Kosten des asthetischen Aspekts also des Basalt Abwurfs und der Pflanzung wollte Beuys privat zahlen 3 Nach Bekanntgabe der Erteilung des Zuschlags des Wettbewerbs fur dieses Projekt an Joseph Beuys durch die damalige Kultursenatorin Helga Schuchardt setzte in Hamburg eine zwei Wochen andauernde Pressepolemik ein 4 Der damalige erste Burgermeister Klaus von Dohnanyi erklarte daraufhin offentlich das Projekt sei keine Kunst legte entgegen der Entscheidung der Kulturbehorde am 24 Juli 1984 sein Veto ein und beendete die weitere Entwicklung des Gesamtkunstwerks 5 Damit wurde eine kulturkonservative Entscheidung vorgeschoben um eben das durchzusetzen was Beuys mit dem Projekt angegriffen hatte namlich den wirtschaftlichen Vorrang vor kulturellen umweltpolitischen und sozialen Aspekten Rezeption BearbeitenInnerhalb der Ausstellung Alles im Fluss Ein Panorama der Elbe die vom 6 November 2007 bis 6 Juni 2010 im Altonaer Museum zu sehen war wurde mehr als 23 Jahre nach dem Veto und 21 Jahre nach dem Tod des Kunstlers erstmals in Hamburg offentlich eine umfangreiche Dokumentation des Gesamtkunstwerks Freie und Hansestadt Hamburg gezeigt 6 In einer kritischen Nachbetrachtung wurde die Ablehnung als unwurdige Provinzposse gesehen aber auch als deutliches Zeichen verstanden wie weit Kunst im politischen Raum wirken kann Die radikale Idee von Joseph Beuys nahm die Einsicht vorweg die heute im realpolitischen Leitkonzept einer integrativen Nachhaltigkeit soziale okonomische und okologische Problemlagen als Wirkungsgeflecht erkennt 7 Eine weitere Rezeption fand in dem sogenannten iba sommer wilhelmsburg im Jahr 2008 statt In Vorbereitung der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg 2013 stand die Offentlichkeits und Kulturarbeit unter dem Motto Natur Kultur Im dazugehorigen zentralen Archiv der Kunste in dem Tonne genannten Gebaude am Vehringkanal war eine Teildokumentation des Gesamtkunstwerks ausgestellt Damit mussten die vielgestaltigen aktuellen Kunstprojekte einen Vergleich mit der Utopie und Radikalitat des Projektes von Beuys auf sich nehmen 8 Literatur BearbeitenSilvia Gauss Joseph Beuys Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg 1983 84 FIU Verlag Wangen 1995 ISBN 3 928780 12 3 Harlan Rappmann Schata Soziale Plastik Materialien zu Joseph Beuys ISBN 3 88103 065 4 Thomas Mayer Johannes Stuttgen Kunstwerk Volksabstimmung Sondereinband ISBN 3 928780 23 9 Volker Harlan Was ist Kunst Werkstattgesprach mit Joseph Beuys Verlag Freies Geistesleben amp Urachhaus 1986 ISBN 3 87838 482 3 Weblinks BearbeitenProjektbeschreibung der Stadt Hamburg Memento vom 14 Juni 2006 im Internet Archive abgerufen am 22 Mai 2010 Einzelnachweise Bearbeiten Dirck Mollmann Politische Landschaft Elbe Das Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg von Joseph Beuys in Alles im Fluss Ein Panorama der Elbe Katalog zur gleichnamigen Ausstellung des Altonaer Museums fur Kunst und Kulturgeschichte Hamburg 2006 ISBN 3 927637 49 1 S 63 Kulturbehorde Hamburg Joseph Beuys Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg 1983 84 Memento vom 14 Juni 2006 im Internet Archive abgerufen am 6 Dezember 2012 Vgl vor allem auch die Publikation Silvia Gauss Joseph Beuys Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg 1983 84 FIU Verlag Wangen 1995 Vgl Der Spiegel 30 1984 vom 23 Juli 1984 S 137 f Beuys im Schlick In Der Spiegel Nr 30 1984 S 137 online 23 Juli 1984 Dirck Mollmann Politische Landschaft Elbe Das Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg von Joseph Beuys S 65 kunst und kultur de Museumsdatenbank Altonaer Museum Alles im Fluss Ein Panorama der Elbe abgerufen am 24 August 2014 Dirck Mollmann Politische Landschaft Elbe Das Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg von Joseph Beuys S 65 Heike Breitenfeld Eindrucke einer Kunsttouristin oder wie schon ist Wilhelmsburg thing hamburg 21 Dezember 2008 Archiv The Thing Hamburg abgerufen am 6 Dezember 2011 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg amp oldid 145996548