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Cyanidvergiftungen bei Menschen sind seltene Ereignisse Die Entwicklung verlauft rasch progredient und lasst wenig Zeit fur Diagnostik und Behandlung Oft kommt auch jede Hilfe zu spat Nachtragliche Reportagen sind nicht immer authentisch Die nachfolgenden Ausfuhrungen stutzen sich daher ausschliesslich auf Originalpublikationen aus Forschung und Klinik zu diesem Thema Inhaltsverzeichnis 1 Chemie und Toxikologie der Blausaure 2 Vorkommen in der Natur Verwendung in der Chemie und Pharmazie 3 Messung der Blausaure im Korper 4 Grenzwerte der physiologischen Blausaure Entgiftung beim Menschen 5 Besonderheiten bei der Blausaureresorption aus pflanzlichen Produkten 6 Symptome der Vergiftung 7 Toxikokinetik 8 Pharmakologische Entgiftung 9 EinzelnachweiseChemie und Toxikologie der Blausaure BearbeitenBlausaure HCN ist eine farblose Flussigkeit die bei 26 C siedet und nach Bittermandel riecht Der spezifische Geruch wird aber nicht von allen Menschen wahrgenommen Der Sauregrad in wassriger Losung ist gering pK Wert 9 3 Im physiologischen pH Milieu des menschlichen Korpers liegt Blausaure daher vorwiegend als undissoziierte HCN vor Die Salze der Blausaure heissen Cyanide Das bekannteste ist das Kaliumcyanid KCN auch Cyankali genannt Blausaure kann uber die Schleimhaute des Nahrungstraktes uber die Atemwege und die Lungen wie auch uber die aussere Haut sehr schnell in die Korpergewebe gelangen Im Inneren der Zellen dringt sie in die Mitochondrien ein bindet dort an das Eisenatom der Cytochrom c Oxidase und blockiert so die Zellatmung Dadurch wird die Atmungskette unterbrochen was zur inneren Erstickung fuhrt 1 2 3 Vorkommen in der Natur Verwendung in der Chemie und Pharmazie BearbeitenGebunden an organische Naturstoffe kommt Blausaure verbreitet in Pflanzen vor Bekannte Beispiele sind die Glykoside Amygdalin in Bitteren Mandeln und Linustatin in Leinsamen Das Aufkommen solcher cyanogenen Sekundarstoffe in der Pflanzenwelt hat im Zuge der Evolution offenbar biochemische Schutzmechanismen in der Tierwelt nach sich gezogen In diesem Sinne lasst sich erklaren dass Menschen und hohere Tiere mit einem speziellen Enzymsystem ausgerustet sind das Blausaure schnell in das 100 weniger giftige Thiocyanat umwandeln kann Letzteres gilt aber nur fur kleinere Mengen von HCN wie sie typischerweise mit pflanzlicher Kost aufgenommen werden konnen 4 5 Im Bereich industrieller Synthetika geht es dagegen in der Regel um viel grossere Mengen Blausaure deren Alkalisalze Alkylverbindungen Nitrile und Additionsprodukte Cyanhydrine sind wichtige Rohstoffe in der chemischen Industrie Bei Chemieunfallen geht die Gefahr vor allem von der Einatmung gasformiger Blausaure aus Bei der Explosion eines Gefahrengutlagers am 12 August 2015 in der chinesischen Hafenstadt Tianjin sind moglicherweise 173 Menschen derart an Blausaurevergiftungen ums Leben gekommen 6 Ein wichtiges Arzneimittel namlich Natriumnitroprussid NNP besteht zu 44 seiner Molmasse aus Cyanid Ionen Diese werden nach intravenoser Infusion im Korper freigesetzt Im Rahmen der therapeutischen Anwendung von NNP sind wesentliche Erkenntnisse zur Giftwirkung und Entgiftung der Blausaure am Menschen gesammelt worden 7 8 Messung der Blausaure im Korper BearbeitenUntersuchungen zur Toxizitat zur Quantifizierung des Risikos wie auch zur Entwicklung von Methoden der Vorbeugung und Behandlung von Vergiftungen sind eng mit der Messung der Blausaurekonzentrationen im Korper verknupft Als Probenmaterial konnen aufbereitete Korpergewebe dienen 9 Haufiger wird aber von Blutproben ausgegangen Die Blausaure ist darin zu 98 99 in den Erythrozyten und nur zu 1 2 im Blutplasma enthalten Zwischen Erythrozyten und Plasma und von letzterem weiter zu den toxischen Wirkorten in den Geweben bestehen Sattigungsgleichgewichte Zuverlassige Messergebnisse bekommt man aus dem Konzentrat der Erythrozyten in denen das Cyanid gebunden an Methamoglobin vorliegt 10 Ein bekanntes analytisches Verfahren wurde 1953 publiziert 11 und danach von weiteren Autoren fortentwickelt 12 13 Der Methode liegt folgendes Prinzip zugrunde Das gebundene Cyanid wird aus dem Erythrozyten Hamolysat mit 4 n Schwefelsaure im Luftstrom als Blausaure in eine Vorlage aus 0 05 n Natronlauge ubergetrieben In gepufferter Losung setzt es sich quantitativ mit elementarem Chlor aus Chloramin T in Chlorcyan um Letzteres reagiert mit einem Pyridin Barbitursaure Mischreagenz unter Bildung eines Polymethinfarbstoffes dessen Extinktion photometrisch bei 578 nm gemessen wird Die Konzentrationen wird meist in Mikromol Cyanid pro Liter µmol L 1 µmol 27 µg HCN Erythrozytenkonzentrat angegeben Die Nachweisgrenze liegt bei 0 5 1 µmol L was dem physiologischen Cyanid Spiegel im menschlichen Blut entspricht 10 14 8 Das Messverfahren steht aber nur in Speziallaboren zur Verfugung Versand Proben mussen dafur speziell prapariert werden 15 Grenzwerte der physiologischen Blausaure Entgiftung beim Menschen BearbeitenDie endogene Entgiftung der Blausaure erfolgt im Korper mittels des in den Mitochondrien der Zellen lokalisierten Enzyms Rhodanase Thiosulfat Cyanid Schwefel Transferase EC 2 8 1 1 Die Blausaure wird dabei mit Thiosulfat umgewandelt in das etwa 100 weniger toxische Thiocyanat Das Enzym ist in fast allen Korpergeweben in grossem Uberschuss enthalten 4 16 17 Limitierend ist die Menge des im Korper enthaltenen Enzym Substrates Thiosulfat weshalb die physiologische Entgiftung einer Kinetik 0 Ordnung folgt Thiosulfat wird nach oraler Zufuhr im Darm nicht resorbiert sondern wird im Korper selbst aus schwefelhaltigen Aminosauren gebildet 8 Zur Einschatzung der physiologischen Entgiftungskapazitat nahm ein Proband in getrennten Versuchen jeweils am Morgen nuchtern 3 6 12 mg Kaliumcyanid ein entsprechend 1 2 2 4 4 8 mg daraus freigesetzter Blausaure Die Gipfelwerte der Blausaurekonzentration in den Erythrozyten wurden bereits 10 bis 20 Minuten nach der Einnahme erreicht Sie betrugen 1 6 21 µmol L Die fehlende Proportionalitat der Maximalkonzentrationen zwischen den 3 Dosierungen ist im Sinne der Sattigungskinetik zu werten Der vollstandige Abbau von 2 4 mg HCN erfolgte in etwa 30 min derjenige von 4 8 mg HCN in etwa 90 min Unter Berucksichtigung des Korpergewichtes errechnete sich daraus eine lineare Entgiftung von 0 8 1 2 µg HCN kg min Diese Kapazitat hatte ausgereicht um in 1 Versuch 1 2 mg HCN innerhalb der Resorptionszeit von 15 min vollstandig abzubauen weshalb es zu keinem Anstieg im Blut kam 8 13 Im Rahmen therapeutischer Infusionen von NNP zwecks Behandlung hypertoner Blutdruckkrisen wurden bei 51 Patienten zu den Zeitpunkten 0 30 60 120 und 180 min nach Beginn der Infusion HCN Messungen im Blut vorgenommen Die Werte nach 180 min wurden mit den mittleren Dosisstromen korreliert Bei 25 Patienten mit Dosisstromen von weniger als 120 µg NNP min Patient entsprechend der Zufuhr von maximal etwa 53 µg HCN min Patient blieben die HCN Spiegel unter 10 µmol L Bei 26 Patienten mit Dosisstromen von 120 450 µg min stiegen die HCN Spiegel dosisproportional bis auf Werte von etwa 130 µmol L an Bei fiktiven mittleren Korpergewichten der Patienten von 70 kg wurde sich aus dem Schwellenwert bei 120 µg min NNP eine maximale Kapazitat der Entgiftung von etwa 0 8 µg HCN kg min errechnen 7 Im Rahmen therapeutischer Infusionen von NNP zwecks kontrollierter Hypotension bei chirurgischen Eingriffen wurden bei 52 Patienten zu Beginn und im Verlauf mehrfach Blutproben zwecks HCN Messung entnommen Unter Berucksichtigung des individuellen Korpergewichtes wurden die Werte nach 80 min mit den mittleren Dosisstromen korreliert Bei 17 Patienten mit Dosisstromen von weniger als 2 µg kg min blieben die HCN Spiegel unter 10 µmol L Bei 35 Patienten mit Dosisstromen von 2 7 µg kg min stiegen die HCN Spiegel dosisproportional bis auf Werte von etwa 100 µmol L an Multipliziert man den Grenzwert von 2 µg kg min mit 0 44 Cyanid Anteil in NNP errechnet sich wiederum eine maximale Entgiftungskapazitat von etwa 0 8 µg HCN kg min 18 Besonderheiten bei der Blausaureresorption aus pflanzlichen Produkten BearbeitenBei der Resorption von Blausaure aus cyanogenen pflanzlichen Produkten sind Unterschiede zu beachten wie mit nachfolgenden Untersuchungen gezeigt wurde 100 g Leinsamen wie auch etwa 50 Bittermandeln enthalten in glykosidischer Bindung 30 50 mg Blausaure 3 Nach der Einnahme von 30 g beziehungsweise 100 g Leinsamen im Einzelversuch sowie von 30 g von 10 weiteren Probanden uberschritten die Cyanidspiegel in den Erythrozyten dennoch nie den physiologischen Normbereich von 1 2 µmol L 14 Daraus wurde geschlossen dass die HCN Resorption aus dem Linustatin des Leinsamens entweder nur in begrenztem Umfang oder aber so verzogert erfolgt dass die physiologische Entgiftung mit der Anflutung Schritt halten kann Letztere Auslegung fand Unterstutzung durch Daten die bei einer zusatzlichen Studie zur Ausscheidungsbilanz des Cyanid Entgiftungsproduktes Thiocyanat ermittelt wurden 5 Probanden nahmen uber den Zeitraum von 5 Wochen 3 15 g Leinsamen taglich ein Die Tagesausscheidungen von Thiocyanat mit dem Urin stiegen darunter gegenuber den Basiswerten im Mittel um 384 µmol 24 h an Bezogen auf die mit dem Leinsamenpraparat zugefuhrte Menge entsprach das einem Cyanid Resorptions Aquivalent von 77 14 Das deutsche Bundesinstitut fur Risikobewertung BfR fand bei einer erweiterten Studie mit 12 Probanden nach der Einnahme von 30 g Leinsamen auch im Blut Maximalwerte im Mittel von etwa 5 µmol L und nach 100 g sogar von 40 µmol L Bei der Einnahme gleicher Cyanid Aquivalente 6 8 mg von Cassava und Kernen von Bitteren Aprikosen war der Anstieg der Blutspiegel nach der Einnahme von Leinsamen jedoch verringert und verzogert Cassava vs Aprikosenkerne vs Leinsamen bei c max 19 5 vs 15 4 vs 6 5 µmol L bei t max 30 vs 15 vs 60 min 19 Nach der Einnahme von 10 zerkauten Bittermandeln blieben die Blutspiegel in der erstgenannten Studie zwar ebenfalls noch im Normbereich Nach dem Verzehr von 50 Bittermandeln mit Blut Messproben zu den Zeitpunkten 10 20 30 60 90 120 min und 5 h p a wurde dagegen 90 Minuten nach der Zufuhr ein Gipfelwert von 160 µmol L erreicht Die Ergebnisse der Laboranalysen lagen in diesem Falle etwa 6 Stunden nach der Einnahme vor Der Wert bei 5 h p a betrug immer noch 110 µmol L Aus Sicherheitsgrunden wurde daher 1 g Natriumthiosulfat i v injiziert worauf die Werte innerhalb 1 Stunde unter 20 µmol L und nach einer weiteren Stunde in den Normbereich von 1 µmol L abfielen 14 Symptome der Vergiftung BearbeitenDie 50 Bittermandeln in dem vorangehend berichteten Experiment wurden von einem Arzt im Selbstversuch in fruhen Morgenstunden nach einem Nachtdienst auf einer Intensivstation verzehrt In den Folgestunden fanden wie ublich noch die Ubergabevisiten an den Tagdienst statt Der Proband war in dieser Zeit voll belastbar und spurte ausser leichter Atemnot Dyspnoe und geringgradiger Beklemmungsgefuhl im Brustkorb thorakaler Beklemmung keinerlei Beschwerden 20 Einer 15 jahrigen Patientin mit lebensgefahrlicher Bluthochdruckkrise musste 7 Tage lang NNP in hoher Dosierung infundiert werden An den Tagen 1 und 2 erfolgte die Infusion ohne Thiosulfat Die Cyanid Konzentrationen im Blut erreichten in dieser Zeit Werte zwischen etwa 100 und 260 µmol L Die Patientin hatte in dieser Phase eine gesteigerte Atemfrequenz Tachypnoe von 20 bis 30 Atemzugen min Sie war jedoch die gesamte Zeit bei klarem Bewusstsein und gab auf ausdruckliches Befragen keine wesentlichen subjektiven Beschwerden an 7 20 Im Rahmen der antihypertensiven Therapie mit NNP wurden auch 10 Falle von schweren Blausaurevergiftungen dokumentiert davon 7 mit todlichem Ausgang Bei der Mehrzahl der Falle wurde eine metabolische Azidose pH im Blutplasma zwischen 6 80 und 7 21 nachgewiesen Weitere Vergiftungszeichen waren Hyperventilation starke Kopfschmerzen Bewusstseinsstorungen Koma Krampfe starke Herzschmerzen Herzrhythmusstorungen 20 Bei 3 todlichen Fallen wurden die Blausaurespiegel im Blut wie vorgenannt ermittelt Die Werte betrugen 230 435 und 524 µmol L 7 21 Toxikokinetik BearbeitenBeim Vergleich vorgenannter Fallberichte fallt auf wie dicht gemessen an der Hohe der Blausaurekonzentrationen im Blut die Bereiche geringgradiger Symptome zu denen mit schwersten Vergiftungszeichen oder sogar todlichen Ausgangen beieinander liegen Der Grund dafur liegt in der speziellen Toxikokinetik des Cyanides Blausaure die in das Blut gelangt wird zuerst an Methamoglobin Met Hb gebunden In diesem tiefen Kompartiment ruht das Cyanid unschadlich fur den Organismus Der physiologische Anteil von Met Hb am Gesamthamoglobin betragt aber maximal 0 5 2 Wie aus den vorangehend berichteten Untersuchungen hervorgeht entspricht das abhangig von der physiologischen Met Hb Menge einer Kapazitat zur schadlosen Bindung von etwa 100 250 µmol Cyanid pro Liter Erythrozytenkonzentrat Umgerechnet auf das Gesamtvolumen der Erythrozyten eines Erwachsenen sind das etwa 10 20 mg neutral gebundener Blausaure Erst wenn diese Menge im Korper uberschritten wird tritt die Blausaure in die Gewebe uber und blockiert dort die innere Atmung Der Sauerstoff kann nicht mehr von den Zellen aufgenommen werden Das Blut bleibt dann auch auf venoser Seite hellrot Pharmakologische Entgiftung BearbeitenDie arzneiliche Behandlung zielt auf die Verstarkung der beiden physiologischen Schutz Mechanismen namlich der Bindung durch das Met Hb des Blutes und der biochemischen Entgiftung durch das Enzym Rhodanase Die Erfolgschancen der Therapie werden dadurch begrenzt dass sich Blausaure in flussiger oder gasformiger Form uber alle vorgenannten Resorptionswege extrem schnell im Korper ausbreitet dasselbe gilt auch fur geschluckte Alkalicyanide aus denen in sauren Magensaft sofort HCN freigesetzt wird Die physiologische Menge von Met Hb lasst sich temporar durch die Injektion eines Methamoglobinbildners wie 4 Methylaminophenol 4 DMAP erhohen 22 Eine therapeutisch mogliche Steigerung von 1 2 auf etwa 10 wurde die Met Hb Bindungskapazitat rechnerisch von maximal 20 mg auf 100 mg HCN also einer todlichen Dosis steigern Diese Rechnung ginge aber nur dann auf wenn das zusatzliche Met Hb bereits zum fruhen Zeitpunkt der Vergiftung im Korper ware Ist die Blausaure bereits an der Cytochrom c Oxidase angekommen und das durfte bei schweren Vergiftungen die Regel sein beginnt dort sofort die Blockade der Sauerstoffaufnahme Die Ganglienzellen des Gehirns uberstehen eine solche Anoxie kaum 15 Minuten die Muskelzellen des Herzens nur wenig langer Beide Organe sind aber limitierend fur den Ausgang einer Blausaurevergiftung In der Praxis wird man beim Verdacht auf eine Blausaurevergiftung sofort Natriumthiosulfat 23 intravenos injizieren 0 5 1 g als Bolus und weiter 1 g als Dauerinfusion uber die nachsten 1 2 Stunden Damit lasst sich die physiologische Entgiftung um mindestens den Faktor 5 steigern 7 8 Sofern der Patient ansprechbar ist und einen intakten Blutkreislauf hat durfte das fur eine Restitutio ad integrum in der Regel ausreichen Bei starken Kopfschmerzen Bewusstseinstrubungen Koma starken Herzschmerzen Herzrhythmusstorungen oder Kreislaufschock ist zusatzlich zu dem Thiosulfat sofort auch arzneiliches 4 Dimethylaminophenol 24 in der vom Hersteller angegebenen Dosierung zu verabreichen Der Behandlungserfolg ist dann abhangig vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginnes und von der Menge der zugefuhrten Blausaure Uber weitere Antidota bei Blausaurevergiftungen wurde berichtet 25 vor allen uber Hydroxycobalamin 26 27 28 Letzteres setzt sich mit Blausaure zu Cyanocobalamin Vitamin B 12 um Das molare Bindungsverhaltnis ist 1 1 das Molgewicht von Hydroxycobalamin aber 50 fach hoher als das der HCN Um wie in vorangehendem Rechenbeispiel mit Met Hb 100 mg Blausaure aufzufangen ware demzufolge eine Infusion von etwa 5 g Hydroxycobalamin zum Vergleich handelsubliche Vitamin B 12 Injektionslosungen enthalten 1 3 mg pro Dosis erforderlich Ein entsprechendes Fertigarzneimittel ist in Deutschland als Antidot bei Blausaurevergiftungen seit 2008 zugelassen 29 Bei schweren Vergiftungen werden jedoch auch mit Hydroxycobalamin die Erfolgschancen durch die Irreversibilitat bereits eingetretener hypoxischer Schaden vor allem an Hirn und Herz begrenzt Bei blossem Verdacht ohne schwere Vergiftungssymptome siehe vorangehenden Absatz sollte uberhaupt nicht mit Hydroxycobalamin behandelt werden weil in solchen Fallen eine kurzzeitige stationare Beobachtung in Verbindung mit einer intravenosen Applikation von 0 5 1 g Natriumthiosulfat vollig ausreichend sind Mit Thiosulfat besteht lediglich bei Patienten mit Asthma bronchiale ein Risiko 23 bei Hydroxycobalamin sind dagegen etwa 30 teilweise schwerwiegende Nebenwirkungen bei insgesamt 11 Organsystemen zu beachten 30 Im Ubrigen kostet Stand April 2022 eine Ampulle mit 1 g Natriumthiosulfat ca 5 der Infusionskit mit 5 g Hydroxycobalamin dagegen ca 850 was bei haltbarkeitsbedingtem 3 jahrigem Wiederkauf fur klinische Notfallapotheken durchaus zu Buche schlagt Die Antidot Vorsorge fur den Fall von Industrieunfallen sollte daneben auch fur Massenvergiftungen ausgelegt sein siehe Explosionskatastrophe von Tianjin 2015 6 Zum Preis eines einzigen Hydroxycobalamin Infusionskits konnen aber 170 Ampullen je 1 g Natriumthiosulfat im Depot vorratig gehalten werden Eine vorbeugende Gift Gewohnung Mithridatisation ist bei Blausaure nicht moglich Solche Strategien beruhen sofern sie uberhaupt etwas andern wahrscheinlich auf Enzyminduktionen im Korper Im vorliegenden Falle liegt das entscheidende Enzym Rhodanase aber ohnehin im grossen Uberschuss vor 16 Vorsorgliche Depots in Hausapotheken sind auch nicht zu empfehlen weil alle 3 genannten Antidota bei oraler Einnahme unwirksam sind Einzelnachweise Bearbeiten Alexander O Gettler J Ogden Baine THE TOXICOLOGY OF CYANIDE In The American Journal of the Medical Sciences Band 195 Nr 2 Februar 1938 ISSN 0002 9629 S 182 197 doi 10 1097 00000441 193802000 00007 wkhealth com abgerufen am 7 Februar 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