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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Berner Modell Begriffsklarung aufgefuhrt Das Berner Modell ist eine Vorgehens und Planungsphilosophie in der Strassen und Verkehrsplanung die in den letzten 25 Jahren vom Kanton Bern in Zusammenarbeit mit Fachleuten entwickelt und umgesetzt wurde Ein Resultat ist die Begegnungszone Dabei werden menschen und umweltgerechte Verkehrslosungen im Sinne aller Verkehrsteilnehmer angestrebt Strassen werden nicht mehr nur im technischen Sinne betrachtet sondern umfassend Besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet dass man ohne Ampeln und Verkehrsschilder umplant und dafur die Aufmerksamkeit aller Verkehrsteilnehmer aufeinander erhoht Inhaltsverzeichnis 1 Absichten 2 Schlusselelemente 3 Strassenumgestaltungen nach dem Berner Modell 4 Shared Space Ansatz 5 Kritik und Auswertung 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseAbsichten BearbeitenViele Strassen in Ortschaften und Stadten genugen den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr in vollem Umfang Jede Nutzergruppe also Fahrzeugfuhrer Radfahrer und Fussganger offentliche Verkehrsmittel Anwohner Geschafte und Gewerbetreibende hat ihre eigenen Anforderungen an die Strassenraumgestaltung was zunehmend zu Konflikten fuhrt Diese aussern sich in Form von erschwerten Querungsmoglichkeiten abnehmender Verkehrssicherheit grosser werdenden Zeitverlusten und Stau wachsender Larm und Luftbelastung sinkenden Umsatzen von Laden bis hin zur Vernachlassigung und Verslumung der angrenzenden Liegenschaften Auf den meisten ausschliesslich nach technischen Uberlegungen gebauten Strassen dominiert der Kfz Verkehr das Ortsbild Dieser beeintrachtigt das lokale Leben und Begegnen aber auch die lokale Wirtschaft Lange Zeit wurde aus dem Ansteigen des Kfz Verkehrs entstandenen neuen Verkehrsproblemen mit einem Kfz gerechten Ausbau der Strasseninfrastruktur begegnet In den 1970er Jahren bewirkten unter anderem die stark steigenden Unfallzahlen erstmals ein Nachdenken uber Vertraglichkeiten und den Umgang mit dem Strassenraum Dieser darf nicht mehr alleine auf die Bedurfnisse der Autofahrer und des offentlichen Verkehrs ausgerichtet sein Es braucht Verkehrslosungen die die Anliegen der Menschen der Siedlung der Umwelt und aller Verkehrsteilnehmenden gleichwertig miteinbeziehen Strassenraume sind deshalb nicht ausschliesslich im technischen sondern vielmehr in einem umfassenden Sinne zu reparieren Bei der Sanierung und Umgestaltung von Strassen sind auch Freiraume fur die kunftige Siedlungs und Verkehrsentwicklung zu schaffen Reparieren und Reserven schaffen das Konfliktpotential ist offensichtlich Das Berner Modell setzt auf das fruhzeitige Erkennen von Konflikten Es kombiniert innovative Losungen und das Lernen aus Erfahrung mit systematischen wissenschaftlichen Wirkungskontrollen Die nach dem Berner Modell geplanten neueren Strassenumgestaltungen weisen bezuglich Vorgehens und Planungsphilosophie Parallelen zu Shared Space auf Einzelne Umgestaltungen insbesondere die Schwarzenburgstrasse im Zentrum von Koniz gelten auch bezuglich der konkreten baulichen Losung als Paradebeispiele fur den Losungsansatz von Shared Space Schlusselelemente BearbeitenDie verkehrspolitischen Grundsatze des Kantons Bern zielen auf eine Ausrichtung der Siedlungsentwicklung auf die Verkehrsinfrastrukturen insbesondere auf das Netz des offentlichen Verkehrs Verkehrsprobleme werden ganzheitlich im Zusammenspiel von offentlichem Verkehr motorisiertem Individualverkehr und Fussganger und Fahrradverkehr analysiert und angegangen Mobilitatsstrategien und Korridorstudien dienen als Richtschnur fur die Erarbeitung der Ausbauprogramme der Verkehrs Betriebs und Gestaltungskonzepte sowie der Projekte Instrumente zur konkreten Umsetzung schlagen die Brucke von den verkehrspolitischen Grundsatzen zu den Projekten und deren Umsetzung Massgebend sind Grenzen Die technisch mogliche Kapazitat oder sogar eine daruber liegende Nachfrage ist nicht das allein ausschlaggebende Kriterium Massgebend sind Belastbarkeiten die sich aus der Mischung der Anforderungen der Strassenbenutzenden aber auch aus jenen des Umfeldes und der Umwelt ergeben Eine solche angebotsorientierte Strassenplanung schafft eine nachvollziehbare und transparente Diskussionsgrundlage fur einen Dialog mit der Bevolkerung Wichtiges Instrument ist dabei das Verkehrs Betriebs und Gestaltungskonzept Im partizipativen Planungsprozess erfolgt die fruhzeitige Einbeziehung der Bevolkerung Die Partizipation erlaubt es die Ziele gemeinsam festzulegen und das Projekt schrittweise zu entwickeln Dabei kommen Konflikte rechtzeitig auf den Tisch werden ausdiskutiert Das Lernen voneinander sich Neuem offnen Schritte aufeinander zugehen all dies fuhrt letztlich zum erforderlichen Konsens Der Regelkreis nach dem unser Tun auf der Erfahrung beruht wird verlassen Weiterentwicklungen werden moglich Das Berner Modell fuhrt ein neues Rollenverstandnis ein Die Verantwortlichen und die Planenden sind nicht mehr nur Expertin oder Experte Sie moderieren zusatzlich Prozesse sind Fursprecher Projektmanager Partner Kollege Visionar Rufer in der Wuste und nicht zuletzt Wachter uber die Handlungsspielraume kommender Generationen Gefragt sind Kreativitat Vertrauen erzeugende Offenheit und die Fahigkeit auf Anliegen einzugehen Zentrale Voraussetzung ist die Bereitschaft zu Planungsprozessen mit nicht vorhersehbarem Ausgang Mit der Wirkungskontrolle wird einerseits gegenuber den politischen Behorden Rechenschaft uber die Zielerreichung abgelegt Andererseits dient sie der fachlichen Uberprufung des ausgefuhrten Vorhabens Was hat sich bewahrt was ist gut was muss geandert werden wo offnen sich Freiraume fur die nachsten Projekte Lernen aus der Erfahrung ist das fachliche Credo Das flachige Queren im Zentrum von Koniz und der Shared Space ahnliche Losungsansatz sind letztlich das Ergebnis derartiger Wirkungskontrollen in den zuruckliegenden 20 Jahren Strassenumgestaltungen nach dem Berner Modell Bearbeiten nbsp Schwarzenburgstrasse Koniz nbsp Kalchackerstrasse Bremgarten nbsp Seftigenstrasse WabernSchwarzenburgstrasse Koniz 2005 Die Kantonsstrasse zeigt mit taglich 17 000 Autos intensivem Busverkehr und starken Fussgangerstromen zwischen den beiden Grosshandelsunternehmen ein hohes Verkehrsaufkommen Ein 300 m langer Abschnitt wurde in die Tempo 30 Zonen auf den umliegenden Gemeindestrassen integriert Die Fussganger konnen die Strasse an jeder Stelle queren Die Fussgangerstreifen wurden entfernt Ein 2 m breiter Mehrzweckstreifen in der Strassenmitte erleichtert das Queren Die Wirkungskontrolle zeigt dass sich die Verkehrssituation fur alle Verkehrsteilnehmer deutlich verbessert hat Insbesondere sind die Unfalle um rund ein Drittel zuruckgegangen Kalchackerstrasse Bremgarten bei Bern 2008 Die Kantonsstrasse im Zentrum von Bremgarten weist mit 2 000 Autos pro Tag relativ wenig Individualverkehr aber reichlich Busverkehr auf Um den vielen querenden Fussgangern insbesondere den Schulkindern und den Senioren des Altersheims besser gerecht zu werden wurde auf der Kalchackerstrasse eine Begegnungszone mit Tempo 20 und Fussgangervortritt eingerichtet Die Kinder werden seither deutlich besser respektiert und zeigen auch eine hohere Aufmerksamkeit Dorfstrasse Neuenegg 2003 Die Gemeinde und ein Grosshandelsunternehmen erstellten zwischen dem neuen Ladenzentrum und der Kantonstrasse 6 000 Fahrzeuge je Tag Tempo 50 generell einen Platz von 80 m Lange Dadurch entstand ein starkes Bedurfnis nach flachenhaften Querungsmoglichkeiten dem ein einzelner Fussgangerstreifen nicht gerecht wird Die Strasse erhielt in diesem Bereich einen roten Belag auf Fussgangerstreifen wurde verzichtet Dank der engen Zusammenarbeit mit der Schule und dem Verkehrsinstruktor kommen die Schulkinder mit der Situation gut zurecht Seftigenstrasse Wabern bei Bern 1997 21 000 Fahrzeuge je Tag Seit der Umgestaltung teilen sich der Individualverkehr und die Strassenbahn eine Fahrspur Der Raum wurde fur Radstreifen und einen Mehrzweckstreifen in der Strassenmitte genutzt Seither hat sich trotz der noch vorhandenen Fussgangerstreifen das direkte Queren eingeburgert Das Fahrtempo liegt tagsuber trotz Hochstgeschwindigkeit von 50 km h bei rund 35 km h Bernstrasse Zollikofen 1992 1998 An der von 20 000 Fahrzeugen pro Tag stark befahrenen Bernstrasse wurden verschiedene Untersuchungen zur Verstetigung des Verkehrs und Reduktion der Luftbelastung durchgefuhrt Sozusagen als Nebenprodukt zeigte sich das grundsatzlich grosse Bedurfnis nach flachigen Querungsmoglichkeiten Zusatzliche Fussgangerstreifen sind aus lufthygienischer Sicht eine schlechte Antwort auf dieses Bedurfnis Der Mehrzweckstreifen hingegen der in Zollikofen Premiere feierte und primar als Warteraum fur den linksabbiegenden Verkehr gedacht war wurde von den Fussgangern zunehmend dazu genutzt die Strasse unter Ausnutzung von Lucken im Strom zu queren Die Folge deutlich weniger Stopps und damit eine Reduktion der Schadstoffbelastung der Luft von 20 bis 25 Shared Space Ansatz BearbeitenDas Berner Modell ist eine Vorgehens und Planungsphilosophie die auf den funf Schlusselelementen verkehrspolitische Grundsatze Instrumente zur konkreten Umsetzung partizipativem Planungsprozess neuem Rollenverstandnis der Planenden und Wirkungskontrollen beruht Es geht grundsatzlich ergebnisoffen an die Erarbeitung von Losungen heran Der Shared Space Ansatz weist ahnliche Schlusselelemente auf Im Gegensatz zum Berner Modell hat Shared Space jedoch ab Beginn des Prozesses einen spezifischen Losungsansatz im Auge Dazu gehoren die flachige Gestaltung des Strassenraums und der Verzicht auf Ampeln und Beschilderungen Die dadurch entstehende Verunsicherung soll die Verkehrsteilnehmer zu mehr Blickkontakten Verstandigung und Rucksichtnahme veranlassen Beide Ansatze verfolgen dieselben Ziele hohe Koexistenz unter den Verkehrsteilnehmenden gute Vertraglichkeit des Verkehrs und eine gesamtheitliche Betrachtung des offentlichen Raumes Kritik und Auswertung BearbeitenWie bei allen neuartigen Losungsansatzen zur Bewaltigung von innerortlichen Verkehrsproblemen muss auch beim Berner Modell genau gepruft werden ob die angestrebten Ziele auch erreicht werden Die Zahl von Studien und Untersuchungen wissenschaftlicher Art ist bei dieser eher lokal angesiedelten Planungsphilosophie eher gering Am Beispiel der Seftigenstrasse in Wabern wurde von der Universitat Bern im Jahr 2000 die Wirksamkeit der Umgestaltung nach dem Berner Modell untersucht 1 Dabei wurde feststellt dass das Hauptziel die Herabsetzung der Trennwirkung in hohem Ausmass erreicht werden konnte Eine wesentliche Veranderung des Modal Split und eine Reduzierung des MIV fand allerdings nicht statt Fur den Fall dass der MIV weiter steigen sollte wird die Wirksamkeit des gesamten Umbaus gefahrdet Siehe auch BearbeitenWoonerfLiteratur BearbeitenU Haefeli Das Berner Modell Umweltverantwortliche Planungsprozesse am Beispiel der Seftigenstrasse in Wabern Koniz In Ruth Kaufmann Hayoz Ueli Haefeli Hrsg Okologisierungsprozesse in Wirtschaft und Verwaltung Proceedings des Symposiums Umweltverantwortliches Handeln 4 bis 7 Juni und 7 September 1996 in Bern Allgemeine Okologie zur Diskussion gestellt Band 3 4 IKAO Universitat Bern Interfakturelle Koordinationsstelle fur Allgemeine Okologie Bern 1997 ISBN 3 906456 14 5 S 96 105 R Defila A Di Giulio M Drilling Leitfaden Allgemeine Wissenschaftspropadeutik fur interdisziplinar okologische Studiengange Allgemeine Okologie zur Diskussion gestellt Band 4 IKAO Bern 2000 ISBN 3 906456 24 2 Weblinks BearbeitenVideo zum Thema bei Youtube com Informationen zum Berner Modell auf bve be ch Interface Politikstudien Wirkungsanalyse Umgestaltung Zentrum Koniz Bern 2007Einzelnachweise Bearbeiten Schlussbericht der Wirkungsanalyse Sanierung und Umgestaltung der Seftigenstrasse Universitat Bern PDF 349 kB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Berner Modell amp oldid 232505539