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Als Phi Phanomen wird im engeren Sinne eine Scheinbewegung bezeichnet die bei einer mit recht hoher Frequenz alternierenden Darstellung relativ nahe beieinander liegender optischer Reize wahrgenommen wird Im Gegensatz zur bei einer niedrigeren Frequenz wahrzunehmenden Beta Bewegung wird dabei keine Bewegung der dargestellten Objekte selbst wahrgenommen sondern ein diffuses gestaltloses schattenartiges Etwas das zwischen den dargestellten Objekten hin und herspringt und diese abwechselnd zu verdecken scheint Dieser Schatten wird meist in etwa in der Farbe des Hintergrunds wahrgenommen 1 Diese Scheinbewegung wurde erstmals von Max Wertheimer in seinem 1912 veroffentlichten Habilitationsschrift Experimentelle Studien uber das Sehen von Bewegung beschrieben 2 Demonstration des Phi Phanomens mittels zweier schwarzer Balken SOA 102 ms ISI 51 ms Im weiteren Sinne insbesondere wenn im Plural von Phi Phanomenen gesprochen wird umfasst der Begriff alle Scheinbewegungen die bei alternierender Darbietung zweier optischer Reize wahrgenommen werden konnen also insbesondere auch die Beta Bewegung die bei der Wahrnehmung bewegter Bilder von Bedeutung ist 3 4 Jedenfalls bezog Wertheimer als er den Begriff f Phanomen 1912 einfuhrte diesen auf alle in seiner Publikation beschriebenen Scheinbewegungen die schattenartige objektlose Bewegung nannte er reines f 2 Allerdings sind einige Wissenschaftler uberzeugt er habe mit dem griechischen Buchstaben Phi ausschliesslich die objektlose Bewegung gemeint 5 6 Inhaltsverzeichnis 1 Experimentelle Reproduktion 2 Forschungsgeschichte 3 Erklarung des reinen Phi Phanomens 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseExperimentelle Reproduktion Bearbeiten nbsp Magni phi Variante der klassischen Versuchsanordnung mit mehr als zwei ElementenBeim klassischen Experiment zur Reproduktion des reinen objektlosen Phi Phanomens werden einer Testperson analog Wertheimers Experiment auf einem Schirm aufeinanderfolgend zwei Linien prasentiert zunachst eine auf der linken Seite dann eine auf der rechten Diese Sequenz wird mehrfach wiederholt Bei bestimmten recht kurzen Zeitintervallen des Seitenwechsels und einem passenden Abstand der beiden Linien konnen die Versuchspersonen das Phi Phanomen wahrnehmen 5 Allerdings erweist es sich als weit schwieriger als bei der Beta Bewegung stabile und uberzeugende Versuchsergebnisse zu produzieren Zur Erleichterung der Wahrnehmung wurde deshalb eine Versuchsanordnung entworfen bei der mehr als zwei Elemente verwendet werden Bei dieser auch als Magni phi bezeichneten Variante des Experiments werden gleichartige Scheiben kreisformig angeordnet und im oder gegen den Uhrzeigersinn jeweils eines der Objekte in schneller Folge ausgeblendet Dies scheint die Wahrnehmung dieser schattenartigen Bewegung zu erleichtern Zudem ist diese Versuchsanordnung unempfindlicher gegenuber der Anderung der Parameter wie Timing Grossen der Scheiben Intensitat oder Sichtentfernung 5 Weiterhin fand man heraus dass auch bei einer der ursprunglichen Versuchsanordnung entsprechenden nur zwei Elemente verwendeten Darstellung bessere Ergebnisse erzielt werden konnen wenn ein negatives Interstimulus Intervall ISI verwendet wird das heisst die Darbietungszeiten der beiden Elemente sich uberlappen Dann werden die beiden abwechselnd dargestellten Reize als stationare Objekte wahrgenommen Das bedeutet der Beobachter unterstellt unbewusst dass bei Wiedererscheinen des Reizes auf einer Seite es sich um das zuvor an dieser Stelle dargestellte Objekt handelt und nicht um das der Gegenseite wie bei der Beta Bewegung Der ausschlaggebende Faktor fur diese Wahrnehmung ist die Kurze der Unterbrechung des Reizes auf jeder Seite Dafur spricht dass folgende zwei Parameter geeignet gewahlt werden mussen damit das reine Phi Phanomen wahrgenommen wird Zum einen darf das absolute Intervall der Reizunterbrechung je Seite nicht grosser als 150 ms sein Zudem darf das Unterbrechungsintervall maximal 40 der Periodendauer betragen 1 Forschungsgeschichte BearbeitenIn seiner 1912 veroffentlichten Habilitationsschrift Experimentelle Studien uber das Sehen von Bewegung fuhrte Max Wertheimer das Symbol f Phi auf folgende Weise ein 2 Gegeben sind sukzessiv zwei Objekte als Reize diese werden empfunden zuerst wird a gesehen zuletzt b zwischen ihnen war die Bewegung von a nach b gesehen ohne dass die entsprechende Bewegung resp die raum zeit kontinuierlichen Zwischenlagen zwischen a und b wirklich als Reize exponiert gewesen waren Der psychische Sachverhalt sei ohne irgendeine Prajudiz mit a f b bezeichnet Neben der der optimalen Bewegung die spater die Bezeichnung Beta Bewegung erhielt und Teilbewegungen der beiden Objekte beschrieb Wertheimer insbesondere auch Falle die er als reine Bewegungserscheinung bezeichnete Was diese anbelangte fasste er die Beschreibungen seiner Versuchspersonen folgendermassen zusammen Diese Falle zeigten sich so dass auch nicht etwa der Gedanke vorhanden war ein Objekt habe sich hinuberbewegt was von Objekten vorhanden war war in den zwei Lagen gegeben nicht eines oder eines von ihnen oder ein ahnliches betraf die Bewegung sondern zwischen ihnen war Bewegung gegeben nicht eine Objektbewegung Auch nicht das Objekt bewegt sich hinuber ich sehe es nur nicht Sondern es war einfach Bewegung da nicht auf ein Objekt bezuglich Diesen Beobachtungen mass Wertheimer eine grosse Bedeutung bei denn sie belegten seiner Auffassung nach dass es sich bei der Wahrnehmung von Bewegung um eine direkte Sinneswahrnehmung handelt die nicht unbedingt aus der einzelnen Wahrnehmung zweier optischer Reize in zeitlichem und raumlichen Abstand geschlossen werden muss 2 Dieser Aspekt seiner Arbeit von 1912 mag ein wichtiger Anstoss fur die spater von ihm mit begrundete Gestaltpsychologie gewesen sein 5 Ab Mitte des 20 Jahrhunderts entstand in der wissenschaftlichen Literatur Verwirrung was es mit dem Phi Phanomen auf sich hat Dies lag zum einen wohl daran dass die englischsprachigen Forscher sich schwer taten Wertheimers in Deutsch verfasste Publikation zu verstehen Weiterhin geht aus Wertheimers Arbeit nicht klar hervor mit welchen Parametern diese reine Bewegungserscheinung beobachtet wurde zudem ist die experimentelle Reproduktion dieser relativ schwierig Entscheidend beigetragen zu dieser Verwirrung hat vermutlich das 1942 erstmals erschienene einflussreiche Standardwerk Edwin Borings zu Sinneseindruck und Wahrnehmung 7 In diesem rekapitulierte er die Aufzahlung der Falle Wertheimers und sortierte diese nach der Lange des Interstimulus Intervalls aufsteigend Dabei sortierte er das reine Phi Phanomen falsch ein namlich als Bewegungseindruck mit dem langsten Intervall bei dessen weiterer Verlangerung gar kein Bewegungseindruck mehr vorlage sondern der Beobachter nur noch zwei separat nacheinander erscheinende Objekte wahrnahme 5 Diese Verwirrung trug vermutlich auch dazu bei dass das reine Phi Phanomen von anderen Forschern erneut entdeckt wurde beispielsweise als omega motion afterimage motion oder shadow motion 1 Erklarung des reinen Phi Phanomens Bearbeiten nbsp Oben scheint sich die schwarze Scheibe zu bewegen unten kann der Eindruck entstehen dass ein weisses Quadrat die stationaren Scheiben abwechselnd verdecket Moglicherweise aufgrund der widerspruchlichen wissenschaftlichen Literatur wurden bislang kaum sinnes und neurophysiologische Theorien zur Deutung des reinen Phi Phanomens aufgestellt 5 Ein Erklarungsansatz besteht darin die Bewegungswahrnehmung bei diesem als die Bewegung eines abdeckenden Vorhangs vor dem dargestellten Objekt zu deuten Dafur sprache dass beim Vergleich des zeitlichem Ablaufs von reiner Phi Bewegung mit der Beta Bewegung die Unterbrechungsintervalle in etwa den Darbietungsintervallen entsprechen was die relative Dauer anbelangt Wie beim Kanizsa Dreieck ersichtlich kann es von subtilen Faktoren abhangen was bei der visuelle Wahrnehmung als Objekt und was als Hintergrund interpretiert wird Somit konnte man das Phi Phanomen in der Weise deuten dass dabei das eigentlich dargebotene Objekt als Hintergrund interpretiert wird der von einem sich bewegenden virtuellem Vorhang verdeckt wird Dieser Erklarungsansatz wurde allerdings voraussetzen dass auch rein zeitliche Faktoren ausreichend sein konnen um die Deutung der visuellen Wahrnehmung zu beeinflussen was als Objekt und was als Hintergrund interpretiert wird Trafe dies zu wurde es sich beim reinen Phi Phanomen eigentlich nicht um eine objektlose Bewegungswahrnehmung handeln wie es Wertheimer unterstellte 1 Siehe auch BearbeitenBewegungssehen Optische TauschungWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Phi phenomenon Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Beta movement and Phi phenomenon Eine bildliche Erklarung des Unterschieds zwischen dem Beta und Phi Phanomen im engeren Sinne engl Colour Phi Phenomenon Interaktive Darstellung des Farbwechsel Phi Phanomens engl Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Vebjorn Ekroll Franz Faul Jurgen Golz Classification of apparent motion percepts based on temporal factors In Journal of Vision Band 8 2008 Nr 31 S 1 22 online a b c d Max Wertheimer Experimentelle Studien uber das Sehen von Bewegung In Zeitschrift fur Psychologie Band 61 1912 S 161 265 gestalttheory net Memento des Originals vom 23 November 2018 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot gestalttheory net PDF 8 6 MB Friedrich Kenkel Untersuchungen uber den Zusammenhang zwischen Erscheinungsgrosse und Erscheinungsbewegung bei einigen sogenannten optischen Tauschungen In F Schumann Hrsg Zeitschrift fur Psychologie Band 67 Leipzig 1913 S 363 Martha Blassnigg Time Memory Consciousness and the Cinema Experience Revisiting Ideas on Matter and Spirit Edision Rodopi Amsterdam New York 2009 ISBN 90 420 2640 5 S 126 books google de a b c d e f Robert M Steinman Zygmunt Pizlob Filip J Pizlob Phi is not beta and why Wertheimer s discovery launched the Gestalt revolution In Vision Research Band 40 2000 S 2257 2264 PMID 10927113 Robert Sekuler Motion Perception A Modern View of Wertheimer s 1912 Monograph In Perception Band 25 S 1243 1258 doi 10 1068 p251243 Edwin Boring Sensation And Perception In The History Of Experimental Psychology Appleton Century Crofts New York 1942 archive org Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Phi Phanomen amp oldid 229241231