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Peer Education auch Peergroup Education oder Peer Group Education bezeichnet einen gangigen sozialpadagogischen Arbeitsansatz der Mitte der 1970er Jahre in den Vereinigten Staaten und Grossbritannien vorwiegend als eine Form personal kommunikativer Pravention in der Gesundheits und Sexualerziehung genutzt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Definition 1 1 Die Multiplikatoren 1 2 Der Professionelle 1 3 Ziele 2 Theoretischer Unterbau Peer Gruppen als Instanz informeller Bildung und Sozialisation 2 1 Das Verhaltnis von Eltern Kind Beziehungen und Peer Beziehungen 2 2 Ko Konstruktion von sozialen und kulturellen Standards 2 3 Peer Lernen 2 3 1 Der Erwerb sozialer Kompetenzen 2 3 2 Erwerb von Sach und Fachkompetenzen 3 Siehe auch 4 LiteraturDefinition BearbeitenPeer Education Strategien bedeuten den Einsatz speziell geschulter Jugendlicher hier Multiplikatoren oder auch Peers genannt um eine bestimmte Gruppe z B Schulklasse Jugendfreizeiteinrichtung hinsichtlich einer bestimmten Thematik z B Verhutung Drogenkonsum zu informieren Dabei wird der Multiplikatoreneffekt angestrebt wonach nicht nur die geschulten Peers die Gruppe informieren sondern auch die dadurch informierten Mitglieder der Gruppe wiederum in ihren jeweiligen Peergruppen dieses Wissen weitervermitteln das sich auf diese Weise innerhalb der jeweiligen Gesamtzielgruppe multipliziert So kann schliesslich die bisherige Zielgruppe zum neuen Multiplikator werden was sich theoretisch weiter fortsetzen kann Entsprechend steht Peer Education fur den Aufbau eines Angebotes gegenseitiger Unterstutzung und Hilfe sowie sinnvoller Beeinflussung und Anpassung durch Gleichaltrige Dem liegt die Annahme zugrunde dass jugendliche Lehrpersonen einen grosseren Lehrerfolg erzielen konnen da Inhalte von Gleichaltrigen anzunehmen Jugendlichen haufig leichter fallt zumal so eine wesentlich starkere Orientierung an ihrer eigenen Lebenswelt moglich ist Der Multiplikator definiert sich dabei weniger als leitender oder lenkender Lehrer sondern eher als Lernbegleiter was zwischen Lehrenden und Lernenden ein gleichgewichtetes Verhaltnis herstellen soll und so die fur Peer Interaktion elementare Gleichrangigkeit ermoglicht Die Multiplikatoren Bearbeiten Bevor ein Jugendlicher jedoch seiner Tatigkeit als Multiplikator nachgehen kann durchlauft er eine spezielle Schulung Durch eine Kombination der Vermittlung von Sach und Lehrkompetenzen durch professionelle Fachkrafte und lebensnahe Erfahrungsschilderungen werden die Multiplikatoren auf den Peer Education Prozess vorbereitet Ein weiteres Ziel der Multiplikatorenschulung ist die Auseinandersetzung mit den Zielen und Grenzen des Peer Ansatzes sowie mit gruppendynamischen Problemen und den eigenen Normen und Wertvorstellungen Des Weiteren stehen hier auch der Erwerb von Trainingsstrategien und Leitungskompetenzen sowie die Erprobung von Methoden im Vordergrund Der Professionelle Bearbeiten Abgesehen von der Organisation der Multiplikatorenschulung ist die Rolle des Professionellen im Rahmen des eigentlichen Peer Education Prozesses vorwiegend kontrollierender und unterstutzender Natur Zwar werden die Inhalte und Ablaufe gemeinsam initiiert jedoch wird die Verantwortung letztlich komplett in die Hande der Multiplikatoren gegeben und weitere Unterstutzung nur bei Bedarf geleistet Ziele Bearbeiten Das hauptsachliche Ziel von Peer Education Strategien ist die Vermittlung von Informationen die dazu beitragen dass Jugendliche ihr Wissen ihre Vorurteile und Vermutungen hinsichtlich spezifischer Thematiken zunehmend hinterfragen und moglicherweise eine entsprechende Einstellungsanderung vollziehen Weitere Ziele sind zum Beispiel der Zuwachs von Selbstwert und Ich Starke sowie die Entwicklung allgemeiner Lebenskompetenzen was durch eine Forderung der sozialen Kompetenzen mit Hilfe von Kontakt und Kommunikationstrainings realisiert wird Unter anderem durch die Moglichkeiten der kreativen Freizeitgestaltung durch Gruppenubungen und das Aufzeigen von Entspannungsmoglichkeiten werden zusatzlich Teamfahigkeit sowie Ressourcen zur Stress und Konfliktbewaltigung entwickelt Peer Education Strategien bieten die Moglichkeit Jugendliche in ihrer Gesamtheit zu starken und sie so schliesslich fur lebenslanges Lernen und das Bestehen herausfordernder Situationen in Schule Ausbildung und Beruf zu qualifizieren Theoretischer Unterbau Peer Gruppen als Instanz informeller Bildung und Sozialisation BearbeitenVor allem im Jugendalter stellen die sozialen Beziehungen zu Gleichaltrigen im Hinblick auf teil gesellschaftliche Integration und vor dem Hintergrund von Anerkennung Wohlbefinden und reflexiver Selbstvergewisserung ein zentrales Bezugssystem dar Das zusatzliche Einwirken sozialer Netzwerke ausserhalb der familiaren Reichweite erscheint daher folgerichtig zumal das Eltern Kind Verhaltnis in dieser Lebensphase durch die einsetzende Eigenstandigkeit des Jugendlichen und die damit im Zusammenhang stehende Distanzierung von den Eltern zahlreichen Transformationen ausgesetzt ist Das Verhaltnis von Eltern Kind Beziehungen und Peer Beziehungen Bearbeiten Nicht nur hinsichtlich der Freizeitgestaltung sondern auch mit Blick auf die kulturelle Lebensfuhrung und die soziale Orientierung losen diese sogenannten Peer Gruppen die Familie in vielen Bereichen als zentrales Bezugssystem ab Im Laufe der Jugendphase beanspruchen Jugendliche im Zuge vollkommen naturlicher Verselbststandigungsbestrebungen zunehmend mehr Entscheidungsspielraume in die ihre Eltern nicht mehr hineinregieren sollen oder konnen Eltern Kind Beziehungen und Peer Beziehungen stehen dabei als die beiden zentralen Bezugsgrossen der Sozialisation im Jugendalter in einer deutlichen Wechselwirkung zueinander Die besondere Position in der Entwicklung junger Menschen erschliesst sich dabei aus der besonderen Form der Sozialbeziehungen die in beiden Systemen vorherrschen und die sich nicht nur auf bestimmte Fahigkeiten oder Eigenschaften einer Person richten sondern die gesamte Person fassen und so deren Unaustauschbarkeit und ihren sozialen Wert begrunden Bereits Jean Piaget bestimmte Peer Interaktion also eine gleichberechtigte Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen als Moglichkeit zur Entwicklung gegenseitigen Verstehens und moralischer Urteilsfahigkeit und somit als entscheidende Instanz der sozial kognitiven Entwicklung Neben den Aspekten der Gleichrangigkeit und Gleichaltrigkeit sind weitere grundlegende Dimensionen der Peer Interaktion wie die zeitliche Strukturierung und die soziale Regulierung fur die grundlegende strukturelle Differenz der sozialen Beziehungsgefuge Peer Gruppen und Familie verantwortlich was neben verschiedenen Erfahrungsraumen auch unterschiedliche Beziehungs und Interaktionslogiken generiert Ko Konstruktion von sozialen und kulturellen Standards Bearbeiten Da Peer Beziehungen in Abgrenzung zum Familiensystem den Charakter von gewahlten und prinzipiell kundbaren Freundschaftsbeziehungen haben mussen Jugendliche selbst Verantwortung fur die Initiierung und Aufrechterhaltung ihrer Peer Beziehungen ubernehmen Auf diese Weise sind sie gezwungen durch ihr Interaktionsverhalten zur Unterstutzung und Starkung der eigenen sozialen Identitat ihre Akzeptanz in der gleichaltrigen Bezugsgruppe sicherzustellen Anders als in Familiensystemen in denen auf vordefinierte Rollenerwartungen und Verhaltensstandards zuruckgegriffen wird mussen Jugendliche die entsprechenden Normen Verhaltensregeln und internen Strukturen eigenstandig innerhalb der Peergruppe aushandeln Der US amerikanische Psychologe James Youniss beschrieb diese Abstimmungsprozesse als Ko Konstruktion von sozialen und kulturellen Standards die fur die Autonomieentwicklung in der Jugendphase eine zentrale Rolle spielen Peer Lernen Bearbeiten Peer Gruppen eroffnen neue Bildungs und Sozialisationsraume die vor allem informelles Lernen und den Erwerb von sozialen Kompetenzen begunstigt Die meist in der Freizeit der Jugendlichen stattfindenden Lernprozesse konnen vermutlich am treffendsten als Lernen mit Gleichaltrigen von Gleichaltrigen beschrieben werden In diesem Zusammenhang wird die besondere Wirksamkeit von Peerbeziehungen im Jugendalter unter anderem durch sozialkognitive Lerntheorien erklart Nach der kognitiven Theorie des sozialen Lernens oder vereinfacht dem Beobachtungs bzw Modelllernen vertreten durch den kanadischen Psychologen Albert Bandura kann im Rahmen sozialer Interaktion beispielsweise ein erfahrener Freund als Modell fungieren und imitiert werden Das so initiierte soziale Lernen gliedert sich in Aufmerksamkeits Gedachtnis Reproduktions und Motivationsprozesse Motivation kann hierbei nach Bandura nicht nur unmittelbar hervorgerufen werden sondern auch indirekt oder stellvertretend z B durch Verstarkung oder Bestrafung des Modells folgen So werden in den Zusammenhangen von Peer Gruppen vielfaltige Lern Erfahrungs und Experimentierchancen geschaffen die zur Entwicklung eigener Lebensstile Normen Werte und Ausdrucksweisen dienen konnen Hier wird der besondere Einfluss von Peer Gruppenbeziehungen auf den Erwerb von sozialen Kompetenzen sowie Sach und Fachkompetenzen deutlich Der Erwerb sozialer Kompetenzen Bearbeiten Beim Erwerb sozialer Kompetenzen die unterschiedliche Fahigkeiten Einstellungen und Fertigkeiten umfassen konnen die wiederum die Qualitat des eigenen sozial kompetenten Verhaltens fordern erlernt der Jugendliche im Zuge von Bildungs und Sozialisationsprozessen bestimmte Verhaltensregeln die im Umgang mit Anderen erwunscht und fur einen friedfertigen Ablauf zwischenmenschlicher Kontakte wichtig sind Dabei entstehen Bildungsleistungen in Peer Gruppen strukturell in enger Anlehnung an die Form der Freundschaftsbeziehung In dem nicht leistungsbezogenen freiwillig gewahlten und von der Erwachsenengesellschaft in der Regel kaum kontrollierten Raum den Freundschaftsbeziehungen im Rahmen von Peer Gruppen bieten haben Jugendliche die Moglichkeit Verhaltensweisen und Lebensstile einzuuben ohne eventuellen Sanktionierungen ausgesetzt zu sein So kann die eigene soziale Identitat erprobt und gestaltet werden Die haufig nicht vorhandenen engen Strukturen und gegenseitigen Verpflichtungen in Peer Gruppen ziehen jedoch auch die Gefahr einer schnellen Auflosung der Beziehung nach sich was nur durch stetige Verhandlungs und Vergewisserungsprozesse innerhalb der Peer Gruppe verhindert werden kann Innerhalb von Peer Gruppen spielt also auch die Bereitschaft zur Kompromissfindung eine wichtige Rolle wofur ein hohes Mass an Kooperations und Kritikfahigkeit notig ist das wiederum in Interaktionen mit Peer Gruppenmitgliedern erlernt und so zur Grundlage fur den Aufbau und die Entwicklung langerfristiger sozialer Beziehungen wird Indem Regeln und Normen in Peer Gruppen grundsatzlich nicht nur passiv verinnerlicht sondern in erster Linie gemeinsam ausgehandelt werden wird zusatzlich die eigene Argumentationsfahigkeit Kooperationsbereitschaft sowie empathisches Verhalten entwickelt Jugendliche lernen also letztlich auf sozialer kommunikativer und emotionaler Ebene mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und erfahren in einer Beziehungskonstellation unter Gleichgestellten welche unterschiedlichen und vom Individuum abhangenden Verhaltensweisen und Kommunikationsformen zur Aufrechterhaltung einer sozialen Beziehung erforderlich sind Erwerb von Sach und Fachkompetenzen Bearbeiten Im Rahmen von Peer Interaktion ist auch die Vermittlung von Sach und Fachkompetenzen bei der nicht die Beziehungstauglichkeit sondern vielmehr die kognitiven Leistungsfahigkeiten im Vordergrund stehen bedeutsam Viele Kompetenzen werden nicht vordergrundig im Rahmen von Unterrichtssituationen oder familiarer Interaktion erworben sondern gehen vielmehr auf Lernprozesse zuruck die durch gemeinsames Experimentieren Ausprobieren und Beobachten in freundschaftlichen Peer Beziehungen initiiert werden Sprachkompetenzen bilden eine mogliche kognitive Leistungsfahigkeit die neben dem schulischen Kontext vor allem auf der Basis und vor dem Hintergrund von Peer Beziehungen entwickelt wird Der Erwerb der deutschen Sprache stellt fur die Integration in die Erwachsenengesellschaft einen entscheidenden Faktor dar Fur Jugendliche mit einem Migrationshintergrund gestaltet sich der Erwerb der deutschen Sprache im eigenen familiaren Kontext problematisch wenn in diesen Familien die Herkunftssprache als Alltagssprache genutzt wird Hier ermoglicht das informelle Lernen in Peer Gruppen den Erwerb einer besseren Sprachkompetenz So wirkt sich der vermehrte Umgang mit deutschstammigen Gleichaltrigen im Rahmen interethnischer Freundschaftsbeziehungen fur Jugendliche mit einem Migrationshintergrund positiv auf den Erwerb der deutschen Sprache aus was sich nicht nur bildungsperspektivisch sondern auch gesellschaftspolitisch in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit und kulturelle Aufgeschlossenheit niederschlagt Die sehr hohe von Peer Gruppen ausgehende Wirkung beim Erwerb unterschiedlicher Sach und Fachkompetenzen wird alltaglich erfolgreich genutzt beispielsweise im sportlichen Kontext bei Mannschaftssportarten oder in Form unterschiedlicher Unterrichtsmethoden mit Gruppenaufgaben Das Ausmass der entstehenden Bildungs und Sozialisationseinflusse ist dabei von der besonderen Form und Zusammenstellung der Peer Gruppe beispielsweise enge Freundschaft Cliquenbeziehung oder Jugendszene sowie der Konstellation der Bezugsgruppenmitglieder z B Geschlecht Alter soziale und nationale Herkunft abhangig Siehe auch BearbeitenPeer Feedback Lernen durch LehrenLiteratur BearbeitenGuy R Lefrancois Psychologie des Lernens Springer Heidelberg 2006 ISBN 3 540 32857 2 Patrick Saner Peer Group Education in der Praventionsarbeit mit Jugendlichen Semesterarbeit Fachhochschule fur Soziale Arbeit beider Basel 2002 online Stand 15 August 2011 PDF 230 kB Marius Harring Oliver Bohm Kasper Carsten Rohlfs Christian Palentien Peers als Bildungs und Sozialisationsinstanzen eine Einfuhrung in die Thematik In Marius Harring Oliver Bohm Kasper Carsten Rohlfs Christian Palentien Hrsg Freundschaften Cliquen und Jugendkulturen Peers als Bildungs und Sozialisationsinstanzen VS Verlag Wiesbaden 2010 Anna Brake Familie und Peers zwei zentrale Sozialisationskontexte zwischen Rivalitat und Komplementaritat In Marius Harring Oliver Bohm Kasper Carsten Rohlfs Christian Palentien Hrsg Freundschaften Cliquen und Jugendkulturen Peers als Bildungs und Sozialisationsinstanzen VS Verlag Wiesbaden 2010 Robert Heyer Peer Education Ziele Moglichkeiten und Grenzen In Marius Harring Oliver Bohm Kasper Carsten Rohlfs Christian Palentien Hrsg Freundschaften Cliquen und Jugendkulturen Peers als Bildungs und Sozialisationsinstanzen VS Verlag Wiesbaden 2010 Herbert Backes Karin Schonbach Ingo Buscher Peer Education ein Handbuch fur die Praxis Basisinformationen Trainingskonzepte Methoden Evaluation Ergebnisse des Modellprojektes im Auftrag der Bundeszentrale fur Gesundheitliche Aufklarung 2 bearbeitete und erweiterte Auflage 2002 Mandy Kastner Peer Education ein sozialpadagogischer Arbeitsansatz In Martin Norber Hrsg Peer Education Bildung und Erziehung von Gleichaltrigen durch Gleichaltrige Beltz Verlag Weinheim 2003 Dieter Kleiber Peer Education Ziele Chancen und Probleme eines neuen Ansatzes in der Praventionsarbeit In H Reuter P Schwab D Kleiber G Gniech Hrsg Wahrnehmen und Erkennen Festschrift zum 60 Geburtstag von Michael A Stadler Pabst Verlag Lengerich 2001 S 149 157 C Limbird P Stanat Sprachforderung bei Schulerinnen und Schulern mit Migrationshintergrund Ansatze und ihre Wirksamkeit In J Baumert P Stanat R Watermann Hrsg Herkunftsbedingte Disparitaten im Bildungswesen Vertiefende Analysen im Rahmen von PISA 2000 Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2006 H Reinders T Mangold K Greb Ko Kulturation in der Adoleszenz Freundschaftstypen Interethnizitat und kulturelle Offenheit im Jugendalter In F Hamburger T Badawia M Hummrich Hrsg Migration und Bildung Uber das Verstandnis von Anerkennung und Zumutung in der Einwanderungsgesellschaft Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2005 U Boos Nunning Viele Welten leben Zur Lebenssituation von Madchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund Waxmann Munster 2006 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Peer Education amp oldid 234863501