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Oikeiosis altgriechisch oἰkeiwsis von oἰkeioῦn oikeioun zu eigen machen zum Freund machen befreunden deutsch etwa Zueignung oder Selbsterhaltungstrieb ist ein Grundbegriff der Philosophie der antiken Philosophenschule der Stoa Oikeiosis wird gemeinhin verstanden als ein Prozess durch den ein Lebewesen schrittweise seiner selbst inne und dadurch mit sich selbst vertraut und einig wird 1 Die Relation des geneigten Gerichtetseins auf sein eigenes Sein wird nicht konstituiert durch eigene Zwecksetzung oder Wahl es ist aller Erfahrung und jedem Entschluss vorgeordnet sondern wird gestiftet durch die schopferische Universalnatur 2 Die Oikeiosislehre dient der Begrundung der stoischen Ethik Tugend heisst fur die Stoa mit rechter Vernunft der eigenen und der universalen Natur entsprechend zu leben Durch ein derartiges Leben durch das die Menschen ihre artspezifische Natur erfullen und vollenden konnen sie eben dadurch unter allen Wesen im Kosmos den grossten Beitrag zu der besten Selbstbewahrung und Selbstgestaltung der kosmischen Natur leisten 3 Zu den wichtigsten Quellen des Oikeiosis Konzepts gehoren Schriften Ciceros besonders De finibus bonorum et malorum Diogenes Laertius und Hierokles Der Begriff traf mit Beginn der Neuzeit im Rahmen der Neurezeption der Stoa auf gesteigertes Interesse z B im Rahmen aufkommender Konzepte von Selbsterhaltung Inhaltsverzeichnis 1 Interpretation 2 Einzelnachweise 3 Weblinks 4 LiteraturInterpretation BearbeitenAnfang des 21 Jahrhunderts wurde die Oikeiosislehre aus der Sicht der Soziobiologie von Robert Bees neu beleuchtet Bees versuchte in seiner Tubinger Habilitationsschrift von 2001 nachzuweisen dass die vorliegenden Deutungen der Oikeiosis auf einem Ubersetzungsfehler beruhen wurden Da das Verbum oikeiousthai keine mediale sondern eine passive Form sei handle nicht der Mensch als Subjekt indem er sich selbst irgendetwas zueignen wurde sondern die Natur die fur die Stoiker ein gottliches mit Vernunft begabtes Lebewesen ist Der Mensch werde insofern von der Natur bestimmten Objekten zugeeignet sich selbst seinen Nachkommen und seinen Mitmenschen Oikeiosis ist ein angeborener Mechanismus der eine instinktive Hinwendung zu etwas bewirkt das per definitionem eigen d h der Natur angemessen ist in dem Sinne dass die ausgeloste Handlung der Erhaltung des Individuums und der Art nutzt Stoische Oikeiosis bezeichnet eine genetische Programmierung des Verhaltens die die Anweisungen zur Liebe zu sich selbst zu den Nachkommen und zu den Mitmenschen daraus resultierend zum jeweiligen Streben nach deren Erhaltung gibt Zu unterscheiden sind drei Formen der Oikeiosis die sich nach ihren Bezugspunkten in Egoismus und Altruismus gliedern lassen 4 Bees kommt zu dem Ergebnis Die Oikeiosis beschreibt keinen Prozess der Selbsterkenntnis beschreibt wenngleich Voraussetzung fur das Erreichen des Telos keine sittliche Handlung Sie steht fur eine genetische Programmierung des Verhaltens die Auslosung von Trieben aufgrund einer pranatalen Disposition die die gottliche Allnatur im Menschen wie in allen Lebewesen angelegt hat In klarer Ubereinstimmung mit dem Modell der modernen Soziobiologie ist durch drei Formen der Oikeiosis das Wirkungsgefuge erfasst in dem das Uberleben von Individuum und Gesellschaft gewahrleistet wird 5 Das Ziel so Bees ist die Selbsterhaltung des Kosmos der fur die Stoiker ein Gott ist der durch das Uberleben seiner Geschopfe selbst uberlebt 6 Der These der Arbeit von Bees stand bereits vor ihrer Veroffentlichung 2004 die These der Arbeit von Chang Uh Lee 2002 entgegen die Oikeiosis sowohl transitiv als auch intransitiv d h sowohl im Sinne einer Ausrichtung der Lebewesen durch die Allnatur mit dem Ziel der Selbsterhaltung und Selbstentfaltung des Kosmos als auch im Sinn einer Ausrichtung des Menschen zur stufenweisen Selbstaneignung mit dem Ziel der Selbsterhaltung und Selbstentfaltung seiner Vernunft zu verstehen So gesehen ist sowohl die Allnatur als auch der Mensch Subjekt der Oikeiosis Die unterschiedliche Interpretation hat Konsequenzen grundsatzlicher Art fur das Verstandnis der stoischen Ethik Wahrend fur die gesamte stoische Ethik nach Bees gilt Was die Vernunft des Erwachsenen zu leisten hat ist dem Naturtrieb seine Zustimmung zu geben 7 ist in der Sicht der Stoa nach Lee und Forschner der Mensch nach vollendeter Oikeiosis vernunftiger und selbstmachtiger Gestalter seiner Triebe 8 Die These von Bees stellt bislang im Rahmen der Stoa Forschung eine Sondermeinung dar Einzelnachweise Bearbeiten M Forschner 1993 51 Maximilian Forschner 1981 1995 Chang Uh Lee 2002 S 39 R Bees 2001 2004 S 258 R Bees 2001 2004 S 338 R Bees 2001 2004 vergleiche besonders S 166ff 172 237 R Bees 2001 2004 S 14 Diogenes Laertius VII 86 Weblinks BearbeitenStoicorum Veterum Fragmenta III ed Arnim Fragmente 178 196 Internet Archive Quellensammlung Literatur BearbeitenMaximilian Forschner Oikeiosis Die stoische Theorie der Selbstaneignung in Stoizismus in der europaischen Philosophie Literatur Kunst und Politik hrsg von B Neumeyr u a Berlin New York 2008 Bd 1 S 169 192 Christoph Horn Zueignung Oikeiosis In Historisches Worterbuch der Philosophie 12 2004 Sp 1403 1408 Robert Bees Die Oikeiosislehre der Stoa I Rekonstruktion ihres Inhaltes Epistemata Wurzburger Wissenschaftliche Schriften Reihe Philosophie Bd 258 Wurzburg 2004 Habilitationsschrift Tubingen 2001 Maximilian Forschner Uber das Gluck des Menschen Darmstadt 1993 Chang Uh Lee Oikeiosis Stoische Ethik in naturphilosophischer Perspektive Alber Reihe Thesen Bd 21 Freiburg Munchen 2002 Dissertation Erlangen Nurnberg 1999 Maximilian Forschner Die stoische Ethik Uber den Zusammenhang von Natur Sprach und Moralphilosophie im altstoischen System Stuttgart 1981 Darmstadt 1995 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Oikeiosis amp oldid 222805877