Haltungsjournalismus ist ein umstrittener Begriff für eine journalistische Arbeitsweise, bei welcher der Journalist seine persönlichen Wertvorstellungen bewusst oder gezielt in die journalistische Arbeit einfließen lässt. So werden zum Beispiel Aussagen von Personen des Öffentlichen Lebens nicht bloß wiedergegeben, sondern mittels Faktencheck auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Auch Werte wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder Freiheit und ihre konkreten Ausformungen (wie etwa der Feminismus) sollen die Arbeit beeinflussen. Hierdurch verschwimmen die Grenzen zwischen Interpretativem Journalismus und Meinungsjournalismus, da sich die „Haltung“ nicht mehr bloß in erkennbar subjektiven Darstellungsformen wie dem Kommentar, sondern auch in der Berichterstattung niederschlagen soll.
Die Verwendung des Begriffs ist jedoch umstritten und dient oftmals als Vorwurf bzw. politisches Schlagwort, um Publikationen abzuwerten, welche nicht die eigene Meinung widerspiegeln – unerheblich ist dabei oft, ob es sich tatsächlich um Haltungsjournalismus handelt. Daher wird alternativ auch der Begriff „werteorientierter Journalismus“ vorgeschlagen.
Besonders verbreitet ist Haltungsjournalismus in den sog. Onlinemedien.
Haltung und journalistische Ethik Bearbeiten
Dieser Begriff betrifft auch die von der Journalistin Karoline Kuhla erörterte Frage: „Welche Regeln gelten für Journalisten?“ Für Kuhla gilt, dass Medien „unparteiisch und unabhängig“ informieren. „Sie können natürlich in Kommentaren bestimmte Meinungen präsentieren, diese gut argumentativ darlegen, aber sie sollten nicht tendenziös berichten, auch nicht, wenn sie damit einem guten Zweck dienen oder zu dienen meinen.“ Ein berühmtes, Hanns Joachim Friedrichs zugeschriebenes Zitat, wonach sich ein Journalist nicht mit einer Sache, auch nicht einer guten, gemein machen soll, gibt Anlass zu Missverständnissen. In seinem Essay anlässlich der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises an Katrin Eigendorf erklärt das der Journalist Rüdiger Jungbluth und zitiert dazu den Spiegel-Redakteur Cordt Schnibben mit der Aussage: „Daraus zu machen, dass ein Journalist quasi ein haltungsloser, emotionsloser Journalist sein sollte, dem man seine Haltung nicht anmerkt, ist eine Pervertierung.“
Begriffsgeschichte Bearbeiten
Der Begriff „Haltungsjournalismus“ ist seit mindestens 2004 belegbar. Wie genau es zur Entstehung des Begriffs kam, ist jedoch unklar. Jedenfalls einige Journalisten sprechen selbst von Haltungsjournalismus. Weiterhin könnten Debatten und Beiträge über „Haltung im Journalismus“ zur Entstehung dieses Begriffs beigetragen haben.
„Der partielle Vertrauensverlust in die Medien drückt sich spätestens seit 2014 durch laute, teils sehr emotionale Medienkritik auf der Straße aus, hinzu kommen wüste Töne in den sozialen Netzwerken.“ Ein aufsehenerregender Fall, der dem Begriff Substanz geben soll, war 2018 die Enthüllung, dass der Spiegel-Autor Claas Relotius weite Teile seiner wiederholt preisgekrönten Reportagen frei erfunden hatte. Der Begriff „Haltungsjournalismus“ wird auf einer Webseite des MDR Fernsehens ausführlicher erörtert.
Neben „Haltungsjournalismus“ existiert auch der Begriff „Gesinnungsjournalismus“, der einem Autor ideologische Gründe unterstellt.
Einzelnachweise Bearbeiten
- etwa Restle, Georg in: WDRprint Juli/August 2018, S. 44 f - Online verfügbar unter https://twitter.com/georgrestle/status/1014133298245853184/photo/1 Stand: 7. Oktober 2023.
- Sascha Michael: Journalisten in sozialen Netzwerken: Zur Kritik am "Social-Media-Journalismus". In: Hans-Jürgen Bucher (Hrsg.): Medienkritik. Herbert von Halem Verlag, 2020, S. 202 ff. (researchgate.net [PDF]).
- Karoline Kuhla: Fake News. Carlsen Klartext, Carlsen Verlag, Hamburg 2017, ISBN 978-3-551-31731-5, S. 109 ff.
- Karoline Kuhla: Fake News. S. 115.
- Rüdiger Jungbluth: Mit keiner Sache gemein? Die Wahrheit über das Hanns-Joachim-Friedrichs-Zitat auf Übermedien.de vom 2. November 2021.
- Suche bei Google Trends im April 2023: https://trends.google.com/trends/explore?date=all&geo=DE&q=haltungsjournalismus
- Lea Susemichel: Warum es mehr Haltungsjournalismus braucht. In: Der Standard Online-Angebot. Oscar Bronner, 15. Oktober 2021, abgerufen am 7. Oktober 2023.
- Alexis von Mirbach: Medienträume. S. 12, 2023, Herbert von Halem Verlag, Köln ISBN 978-3-86962-635-2.
- Wenn „Haltung“ mehr zählt als Wahrhaftigkeit. auf Cicero,de, abgerufen am 11. April 2023.
- Wo bleibt die Ausgewogenheit? Haltung im Journalismus. auf MDR.de, abgerufen am 11. April 2023.
- Peter Welchering: Gesinnung oder Haltung. 8. Dezember 2020, abgerufen am 29. August 2023 (deutsch).
- Peter Welchering: Gesinnung oder Haltung: Klärung in einer journalistischen Wertedebatte. 11. September 2020, abgerufen am 30. August 2023.