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Die Zimmerschlacht Ubungsstuck fur ein Ehepaar ist ein Drama von Martin Walser Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Handlung 3 Werkkontext 4 Rezeption 5 Ausgaben 6 LiteraturEntstehung BearbeitenDen ersten Akt des Stuckes schrieb Walser 1962 63 als Horspiel welches 1966 unter dem Titel Erdkunde gesendet wurde Die Urauffuhrung der erweiterten Fassung fand am 7 Dezember 1967 in den Kammerspielen in Munchen unter der Regie von Fritz Kortner statt Das Stuck wurde in ganz Europa inszeniert und brachte Walser finanzielle Sicherheit In den folgenden zehn Jahren war es in der Bundesrepublik Deutschland sogar das dritthaufigst aufgefuhrte Stuck vgl Fetz Gerald A S 95 Handlung BearbeitenDas Theaterstuck Zimmerschlacht spielt in dem Wohnzimmer der Familie Furst und beschreibt die Versuche des Ehepaares Furst einen gemeinsamen Abend zu geniessen Eigentlich haben die beiden Hauptcharaktere geplant den Abend mit drei weiteren befreundeten Paaren zu verbringen und eine Einladung ihres Freundes Benno und seiner neuen deutlich jungeren Lebensgefahrtin anzunehmen Felix beschliesst gemeinsam mit den Herren Neumerkel und Mengel die Einladung zu boykottieren und Benno damit deutlich zu zeigen was sie von seiner Beziehung zu der jungen Rosa halten Erst spater wird Felix wahrer Beweggrund deutlich Er findet Rosa sehr anziehend und kann es nicht ertragen seine Ehefrau im direkten Vergleich mit ihr zu sehen Das Fernbleiben von der Abendgesellschaft fuhrt dazu dass Felix und Trude den Abend alleine zu Hause verbringen Es zeigt sich dass die beiden nicht mehr wissen was sie mit ihrer Zweisamkeit anfangen konnen Obwohl beide gerne aus ihrem gewohnten Alltag ausbrechen mochten um etwas Verrucktes und Abenteuerliches zu tun halten sie zu stark an ihrer eingefahrenen Lebensform fest Auch wenn er es nicht zugibt bewundert Felix seinen Freund Benno fur dessen Mut seine Frau Regina zu verlassen und sich mit der jungen Rosa zu verloben Felix wurde gerne auch Entscheidungen ohne Rucksicht auf gesellschaftliche Normen und Regeln treffen konnen Felix Wir sind allein Du und ich Ein Mann und eine Frau Wir durfen was wir wollen Ich wunschte du spurtest das so ungeheuer wie ich Wir konnten auf Zehenspitzen gehen Die Arme durch die Luft schleudern verruckt gewordene Windmuhlen spielen oder einfach alle Tische Stuhle Sessel umwerfen Seite 18 Beide wunschen sich dass neuer Wind in die Beziehung kommt und mehr Schwung in ihre Beziehung und ihr Liebesleben bringt Trude zitiert aus dem Kamasutra Kein anderes geeignetes Mittel die Leidenschaft wachsen zu machen als Anfuhrung der Taten die mit Nageln und Zahnen vollbracht werden Seite 20 Um eine lockere Atmosphare entstehen zu lassen und der unangenehmen Situation zu entkommen trinken die beiden einige Glaser Cognac Trude bittet Felix noch einmal zu erzahlen wie er im Krieg feindliche Flugzeuge abgeschossen hat weil sie sich erhofft dass Felix dann wieder mannlicher auf sie wirkt Sie sehnt sich nach einem richtigen Mann und ist den rucksichtsvollen Erdkundelehrer leid Wahrend des Gespraches wird jedoch deutlich dass Felix sich die Kriegsgeschichte ausgedacht hat um dem Verlangen seiner Frau nach einem starken mannlichen Partner und den Erwartungen der Gesellschaft an einen erfolgreichen Soldaten gerecht zu werden Daruber hinaus wird deutlich dass Felix seiner Frau mehrere Seitensprunge gestanden hat die jedoch nie stattgefunden haben Auf dieses Gestandnis folgt ein Streit der deutlich zeigt dass die beiden Hauptcharaktere einander nicht mehr lieben jedoch auch nicht hassen Die Ehe der beiden ist zum einen alltaglich geworden und nicht mehr wegzudenken auf der anderen Seite sehnen die beiden sich jedoch nach einem anderen Leben Im Endeffekt sind beide Charaktere nicht in der Lage aus ihren gewohnten Bahnen auszubrechen und sich gegen die Erwartungen der Gesellschaft zu wehren So folgen die beiden doch der Einladung von Benno und Rosa Werkkontext BearbeitenDas Stuck befasst sich mit dem Eheleben der Hauptcharaktere und spielt sich ausschliesslich im privaten und intimen Bereich ab Die zeitgeschichtlichen und moralpolitischen Aspekte die Walser sonst so sehr interessieren finden hier keine Berucksichtigung Der Bezug zu aktuellen Gesellschaftsmustern wird in dem Stuck Die Zimmerschlacht durch einen leicht entfremdeten Realismus sowie eine raumliche und figurenmassige Beschrankung erreicht Die zwei Hauptcharaktere verdeutlichen in ihrem Wohnzimmer welche gesellschaftlichen Erwartungen an ein Ehepaar gestellt werden Die beiden haben das Gefuhl die Ehe aufrecht halten zu mussen obwohl sie keine Liebe mehr fur einander empfinden Der Freund Benno hingegen hat es geschafft aus einer solchen eingefahrenen Ehe auszubrechen und spurt nun die Reaktion der Gesellschaft indem sich seine eigenen Freunde von ihm distanzieren Die Beschreibung der gesellschaftlichen Zwange ahnelt thematisch sehr den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Anselm Kristlein Trilogie von Martin Walser Obwohl Anselm Kristlein zwischenzeitlich einen beruflichen Aufstieg erreicht indem er vom Vertreter zum Werbetexter und zum Schriftsteller avanciert wird deutlich dass er weiterhin von der Gesellschaft und deren Mitgliedern abhangig bleibt Gerald A Fetz bezieht sich in seinem Werk Martin Walser auf ein Zitat von Brandle in welchem dieser darauf verweist dass die alltaglichen Praktiken einer kleinburgerlichen Ehe in dem Stuck deutlich herausgestellt werden Von Handlung und Entscheidung des Einzelnen kann eigentlich nicht mehr geredet werden weil dem Zuschauer erkenntlich wird dass sogar die Luge und Heuchelei im Privaten des Studienrats nichts anderes ist als Imitation alltaglicher Praktiken der Gesellschaft die Konflikte vortauschen wo langst schon Verdinglichung herrscht Walser sieht und gestaltet trotz der vordergrundig privaten Handlungsfuhrung nicht das Versagen des Einzelnen sondern das Versagen einer Gesellschaftsform und die Lebensbedingungen dieser Gesellschaft Die Form des Stuckes erinnert an die Form der Duodramen Duodramen waren am Ende des 18 und Begin des 19 Jahrhunderts sehr beliebt und zeichneten sich dadurch aus dass sie Dramen fur zwei Schauspieler oder Sanger darstellten Rezeption BearbeitenReiner Taeni verweist in seinem Essay uber Martin Walsers Dramen der in der Zeitschrift TEXT KRITIK veroffentlicht wurde auf Verwunderung uber den Erfolg Martin Walsers auf den Buhnen der Bundesrepublik in den 60er Jahren da das Theater damals in der Praxis streng nach dem Motto keine Experimente keine Risiken handelte vgl Taeni Die Berechtigung seines Erfolges sei zu damaliger Zeit schon umstritten gewesen Der Kritiker Gunther Ruhle betont jedoch dass das deutsche Theater durch Walser zum ersten Mal zu einer selbststandigen Gestalt komme die Modellcharakter hat und nicht eine Nachzeichnung vorgefundener Ablaufe ist Genau diesem Aspekt widerspricht Reich Ranicki jedoch indem er angibt dass Walser genau diese angestrebte Modellsituation in seinen ersten Stucken Eiche und Angorar Uberlebensgross Herr Krott und Der schwarze Schwan nicht gelingt und dass genau dies der Grund ist fur das Scheitern von Walser vgl Taeni Im Gegensatz zu anderen Autoren seiner Zeit wie zum Beispiel Kipphardt Hochhuth oder Weiss die sich in ihren Stucken mit historischen Themen beschaftigten verarbeitete Walser zeitgeschichtlich relevante Themen welche die gegenwartige Gesellschaft betrafen Marcel Reich Ranicki bescheinigt Martin Walser dass er diese gegenwartige Gesellschaft authentisch darstellt solange die Charaktere frei miteinander sprechen Diese authentische Darstellung wird laut Reich Ranicki jedoch zunichtegemacht indem Walser versucht den Dialog der beiden Ehepartner buhnenwirksam aufzulockern Solange sich Walsers Figuren gegenseitig und ohne Umschweife attackieren und qualen und martern solange sie ihre Gefuhle und Ressentiments ihre Gedanken und Befurchtungen ihre Hemmungen und Komplexe direkt ausdrucken durfen wirkt Die Zimmerschlacht authentisch Wo er jedoch szenische Effekte anstrebt wo er seine Dialoge buhnenwirksam machen will wird sein Theater dilettantisch und sein Humor geradezu albern Auch Hellmuth Karasek bezieht sich in seiner Rezension des Stuckes auf die realistische Beschreibung des Alltages in dem Drama Walser verbraucht den Alltag um zu zeigen wie uns der Alltag verbraucht Auch wenn es zunachst den Anschein erweckt dass dieses Stuck sich ausschliesslich mit der Beziehung von Felix und Trude auseinandersetzt werden daruber hinaus gesellschaftliche Strukturen der 60er Jahre deutlich Anthony Edward Waine schildert dass die Entwicklung im Verlauf des Stuckes auf das Zusammenwirken von individuellen und sozialen Kraften zuruckzufuhren ist Er beschreibt funf Phasen dieses Entwicklungsprozesses There are five principal stages in this progression The action is motivated initially by social pressures Benno s catch and the paty This provokes individual resistance the intrigue and their staying at home Felix s act of resistance leads to a build up of private pressure These eventually cause a breakdown of resistance and the final stage is the adaptation of the individual to the social process their leaving for the party Genau dieses Zusammenspiel von individuellen Bedurfnissen und Wunschen mit den sozialen Anforderungen der Gesellschaft fuhrt zu der zuvor beschriebenen Authentizitat und dem damit verbundenen Erfolg dieses Stuckes Ausgaben BearbeitenNach einer ersten Veroffentlichung im Jahr 1967 wurde das Stuck in dem Sammelband Martin Walser Stucke im Suhrkamp Verlag herausgegeben In diesem Sammelband sind alle Theaterstucke die Walser bis 1984 geschrieben hat zusammengefasst Der Abstecher Die Zimmerschlacht 2 Stucke geschrieben 1961 bzw 1962 1963 1967 Suhrkamp es 205 Frankfurt am Main 1967 Sammelausgaben Stucke Suhrkamp Frankfurt am Main 1987 Literatur BearbeitenFetz Gerald A Martin Walser Verlag J B Metzler Stuttgart 1997 Greif Hans Jurgen Zum modernen Drama Bouvier Verlag Bonn 1973 S 23 26 Karasek Hellmuth Zu Zweit In Uber Martin Walser Hrsg T Beckermann Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 Reich Ranicki Marcel War es ein Mord In Uber Martin Walser Hrsg T Beckermann Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1970 Taeni Rainer Modelle einer entfremdeten Gesellschaft Uber Martin Walsers Dramen In text kritik Zeitschrift fur Literatur Hrsg H L Arnold Band 41 42 S 57 68 EDITION TEXT KRITIK Waine Anthony Edward Martin Walser The Development as Dramatist 1950 1960 Bouvier Verlag Herbert Grundmann Bonn 1978 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Zimmerschlacht amp oldid 238523912