www.wikidata.de-de.nina.az
Das 1908 veroffentlichte Traktat Asthetik der Tierwelt ist das letzte grosse wissenschaftliche Werk des Zoologen und Naturforschers Karl August Mobius Es handelt sich hierbei um die Verschriftlichung und Weiterfuhrung seiner von 1896 bis 1907 gehaltenen Vorlesung Die asthetische Betrachtung der Thiere an der Universitat in Berlin Ziel des Traktes ist es mit Hilfe der Naturwissenschaft die im 19 Jahrhundert zur Kernwissenschaft des Zeitalters wird ein ureigenes philosophisch literarisches Thema zu durchdringen indem die Asthetik der Natur ergrundet wird und asthetische Urteile neben ihrer subjektiven Komponente auf eine durch Beweise nachprufbare objektive Ebene uberfuhrt werden Inhaltsverzeichnis 1 Asthetik 2 Form des Werkes 3 Einleitung zum Werk 4 Kategorien der Mobiusschen Naturasthetik 4 1 Die asthetische Einheit 4 2 Gesetzmassigkeit des Schonen 4 3 Die Besonderheit des Schonen 4 4 Asthetische Einfuhlung 4 5 Wert der asthetischen Urteile 5 Literatur 5 1 Textausgaben 5 2 Sekundarliteratur 6 EinzelnachweiseAsthetik BearbeitenBis zum 19 Jahrhundert ist es allein die Wissenschaft der Philosophie die sich mit dem Begriff der Asthetik auseinandersetzt Dabei stellen die uberlieferten philosophischen Systeme das Kunst vor das Naturschone und raumen der Natur somit eine der Kunst untergeordnete asthetische Wertigkeit ein 1 Mit dem Aufkommen neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und den damit verbundenen technischen Errungenschaften im 19 Jahrhundert siehe auch Industrialisierung erlangt die Naturwissenschaft das Selbstbewusstsein das Primat des Kunstschonen anzuzweifeln Form des Werkes BearbeitenMobius folgt in diesem Werk einer streng systematisch konzipierten Ausarbeitung einer Tierasthetik Wahrend er sich in alteren Studien vor allem auf die asthetische Bedeutung von Tieren konzentriert ist ihm bei dieser Ausarbeitung sehr an einer streng wissenschaftlichen Ableitung gelegen Dementsprechend ist ein Ziel dieser Arbeit dass die Beweisfuhrung von ihren Voraussetzungen bis hin zu ihren Ergebnissen nachvollziehbar sei Das Werk beinhaltet eine Fulle biologischer psychologischer geographischer asthetischer und kunstwissenschaftlicher Fachliteratur mit Bezugen zu Schriften philosophischer Autoren Daruber hinaus bietet das Werk eine grosse Auswahl an eigenen Skizzen Kollektaneen und Vorlesungsmanuskripten wie auch zahlreiche Illustrationen der Tiere die es dem Leser moglich machen sollen die Thesen selbststandig nachzuvollziehen Mobius legte grossen Wert auf eine grundliche Naherung an den philosophischen kulturgeschichtlichen Gegenstand der Asthetik weshalb das Traktat nicht zur popularwissenschaftlichen Literatur zahlt sondern vielmehr ein Handbuch einer eigenen zoologischen Spezialdisziplin darstellt das fur ein akademisch geschultes Publikum intendiert ist Einleitung zum Werk BearbeitenMobius beginnt sein Werk mit der Behauptung dass ein Tier dann schon sei wenn der Anblick die Farbe die Gestalt und die Bewegung die Aufmerksamkeit eines Anschauenden fesselt Erst dadurch dass ein Tier gefallt erhalten seine Eigenschaften einen Schonheitswert Denn waren seine Formen Farben und Bewegungen an sich schon mussten sie allen gleichermassen gefallen Doch dieses Szenario bei dem sich alle uber die Schonheit einer Sache einig sind konnte es niemals geben Daraus leitet Mobius ab dass der Grund fur die Schonheit bzw Hasslichkeit einer Sache weder ganz im Gegenstand zu finden sei noch ganz im Auge des Betrachters liegt sondern eine Mischung aus beidem ist Unsere Urteile uber die Schonheit und Hasslichkeit der Tiere entspringen wie alle asthetischen Urteile uber Gegenstande der Natur und Kunst aus vielfach zusammengesetzten Wahrnehmungen ausserer Erscheinung und aus anderen geistigen Tatigkeiten Alle asthetischen Urteile haben besondere objektive und subjektive Grundlagen 2 Aufbauend auf dieser Grundlage formuliert Mobius seine Kategorien einer Naturasthetik Kategorien der Mobiusschen Naturasthetik BearbeitenDie asthetische Einheit Bearbeiten Schon Goethe schrieb an C G Korner Der reine asthetische Effekt entspringt nur aus dem Gefuhl des Ganzen Gleichermassen formuliert Mobius dass ein Gegenstand der uns asthetisch fesselt auf uns als eine von seiner Umgebung abgesondert vorgestellte Einheit verschiedenen Inhaltes wirkt Zum Beispiel nehmen wir einen Baum als Einheit von Stamm Zweigen und Blattern wahr oder einen Wald als Einheit aller von unserem Blick umfassten Baume Auch Teile eines Ganzen konnen fur sich betrachtet als asthetische Einheit gefallen wie zum Beispiel der ausgebreitete Schwanz eines balzenden Pfauhahns Gesetzmassigkeit des Schonen Bearbeiten Durch die Unterlegung einer Gesetzmassigkeit in der Asthetik schafft es Mobius den Begriff des Schonen anhand naturwissenschaftlicher Kategorien zu bearbeiten Dabei dient ihm die wissenschaftliche Gesetzmassigkeit Gesetz der verglichenen Erscheinungen die hervorgeht aus der Beobachtung ahnlicher miteinander verglichenen Erscheinungen die in der Natur und im Menschenleben immer wiederkehren Diese setzt er in Bezug zur asthetischen Gesetzmassigkeit die das Gesetzmassige in eigentumlicher individueller Erscheinungsweise darstellt und somit eine individuelle Auspragung des Gesetzes ist und deshalb einen asthetischen Genuss darstellt Sogar im Weg zu einem asthetischen Urteil liegt eine Gesetzmassigkeit verborgen Auf die gleiche Weise wie ein Kind eine Sprache erlernt erlernt es asthetisch zu urteilen Das Kind handelt also nach Gesetzen die es durch sinnliche Wahrnehmung kennen gelernt hat Es urteilt auf Grund dieser Gesetze obgleich es sich ihrer als eigener Denkobjekte in abstrakter Form nicht bewusst ist 3 Jeder Mensch geht einen Vorbildungsweg zum Genuss des Schonen Und jene Menschen die eine Begabung fur die Asthetik zu haben scheinen wie zum Beispiel Maler Bildhauer und Dichter haben keine anderen Sinnespforten fur aussere Erscheinungen als normale Menschen Demnach gibt es kein Genie das Gesetze erfindet sondern nur einen Kunstler der das Gesetzmassige des Naturgegenstandes entdeckt und es so scharf veranschaulicht in seinen Werken dass es fur alle sichtbar wird Das hat zur Folge dass kein menschlicher Geist Kunst und Gedankenwerke unmittelbar durch innere Anschauung Intuition und ohne aussere Wahrnehmung erzeugt Nur so rucken die Werke der Genies der Wissenschaft und Kunst nicht ins Unbegreifliche und nur durch die Gebundenheit an aussere Wahrnehmung ist die Moglichkeit an einen asthetisch geniessenden Beobachter der in den Werken das Schone erkennt gegeben Die Besonderheit des Schonen Bearbeiten Mobius sieht demnach die Besonderheit des Schonen darin dass es zwar in eine Gesetzmassigkeit der Natur eingebunden ist jedoch in der Form dass es eine einmalige individuelle Auspragung dieses Gesetzes darstellt Die Schonheit eines Gegenstandes beruht auf eigener besonderer Beschaffenheit gesetzmassiger Eigenschaften die in keinem anderen Gegenstande genauso wiederkehrt wie sie in ihm verwirklicht ist 4 Dabei unterliegt die Besonderheit des Schonen einem Konzept von Freiheit das keine grundlose eigene freie Wahl der eigentumlichen Verwirklichung des Gesetzmassigen meint denn dadurch ware die Ursache seines Daseins wissenschaftlich unerklarlich und wurde ins Mystische ubergehen Die Einzigartigkeit des Schonen unterliegt vielmehr einem Konzept von Freiheit wie es auch Schelling und Theodor Lipps attestiert haben Schon nennen wir eine Gestalt in deren Entwurf die Natur mit der grossten Freiheit und in den Grenzen der strengsten Notwendigkeit und Gesetzmassigkeit gespielt zu haben scheint Friedrich Schelling Die schone Natur ist Symbol der Freiheit Und dieweil sie das ist ist sie schon In dieser Freiheit ist alles andere eingeschlossen die Kraft und der Reichtum der Betatigung der Aktivitat und die Einheit des Individuums die fur alles dieses die Grundlage bildet Theodor Lipps Die Freiheit der besonderen Auspragung des Schonen ist daher so verstehen dass sie als besondere Wirkungsgebilde des Weltganzen auftreten die zu gleicher Zeit nicht auch andere gleichartige Bildungen einnehmen konnen Die Besonderheit definiert sich als das nur ihnen eigene Entstehen und Wirken als ein Glied des Naturganzen Dabei ist kein Glied des Weltganzen vollig frei von allen Einwirkungen der anderen Glieder mit denen es zusammenhangt Seine Eigenschaften sind das Produkt des Zusammenwirkens ortlich und zeitlich bestimmter Umstande und definieren sich erst durch die Differenz zu den Eigenschaften anderer Glieder In der asthetischen Wahrnehmung werden beide Richtungen namlich die Suche nach dem Einzelnen und nach dem gesetzmassigen Zusammenhang im Eigentumlichen befriedigt In den besonderen verganglichen Erscheinungen schauen wir unmittelbar muhelos Gesetzliches Ewiges an 5 Ein Paradoxon das Mobius dadurch lost indem er postuliert dass das Schone nur in erster Instanz Besonderes und Vergangliches ist Und dieses bewegt sich im Rahmen des Gesetzlichen und Ewigen Asthetische Einfuhlung Bearbeiten Mit dem Begriff der asthetischen Einfuhlung der auf Theodor Lipps zuruckgeht meint Mobius das Zusammensein mit der Natur in dem man versenkt in das Wahrnehmen der ausseren Erscheinungen mit dieser zugleich auch das eigene ganze innere Sein geniesst Es beschreibt einen Zustand in dem die Erscheinungswelt gleichgesetzt wird mit der Gemutswelt Hierbei rekurriert Mobius auf die Vorstellung Lipps nach der die asthetische Relevanz eines Tieres darin besteht dass es den Wahrnehmenden auf Grund seiner Reize veranlasst sich uberhaupt in das Tier einzufuhlen Dabei lasst einerseits die Psyche die Vorstellung zu dass Tiere beseelt sind weil wir es so von uns kennen andererseits wirkt das Tier mit seinen eigenen spezifischen Eigenschaften auf den Wahrnehmenden ein Friedrich Theodor Vischer beschreibt daher diesen Gemutszustand als das Einfuhlen der Seele in unbeseelte Formen Mobius knupft hier an wenn er sagt dass wir in die Tiere die uns asthetisch fesseln unsere eigenen Gefuhle des Ruhens und Bewegens unsere Empfindungen des Druckes fester und weicher Stoffe des Glatten und Rauen des Hellen Dunkeln und der Farbe eben sinnliche Empfindungen versetzen jedoch in abgeanderter und abgeschwachter Form Demnach ist der asthetische Genuss ist fur Mobius wie fur Lipps eine psychologische Tatsache denn was asthetisch auf uns einwirkt ist zwar sinnlich wahrnehmbar aber das Gefallen oder Missfallen des Wahrgenommenen ist ein Akt ein Zustand unseres Geistes Wert der asthetischen Urteile Bearbeiten Mobius ist sich obwohl er sehr viel Wert auf die Uberprufbarkeit seiner Aussagen uber die Asthetik legt uber die mangelnde Uberzeugungskraft asthetischer Urteile im Bezug zu mathematischen sehr wohl im Klaren Dies fuhrt er zuruck auf den Umstand dass mathematische Urteile unabweisbar fur jeden sind der sie verstehen kann weil sie reine Gedanken postulieren In asthetischen Urteilen wird dahingegen die Wirkung eines angeschauten Gegenstandes auf Geist und Gemut des Wahrnehmenden ausgesprochen Somit hangt das Urteil nicht nur von der wahrgenommenen gesetzmassigen und der besonderen Beschaffenheit des Gegenstandes ab sondern von dem Bildungsgrade und der momentanen Gemutsstimmung des Wahrnehmenden ab Hieraus resultiert die Uberzeugungsschwache der asthetischen Urteile fur andere Menschen da sie Zustande des Geniessens und Missfallens ausdrucken die keine Wissenschaft beschreiben kann Literatur BearbeitenTextausgaben Bearbeiten Mobius Karl August Asthetik der Tierwelt Franz Steiner Verlag Jena 1908 ISBN 978 3 515 09281 4 Sekundarliteratur Bearbeiten Kockerbeck Christoph Die Schonheit des Lebendigen asthetische Wahrnehmung im 19 Jahrhundert Boehlau Wien Verlag Wien Koln Weimar 1997 ISBN 978 3205987550 Einzelnachweise Bearbeiten Christoph Kockerbeck Die Schonheit des Lebendigen asthetische Wahrnehmung im 19 Jahrhundert Wien Koln Weimar 1997 S 11 Asthetik der Tierwelt S 3 Asthetik der Tierwelt S 5 Asthetik der Tierwelt S 7 Asthetik der Tierwelt S 8 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Asthetik der Tierwelt amp oldid 228257794